Mit dem Reisepass in die Neoklassik.
Wenn die zwei Brüder Selke Sebastian und Daniel ein Album einmal nicht unter ihrem renommierten Pseudonym CEEYS herausbringen, dann darf man schon etwas Besonderes erwarten. Diese Woche veröffentlicht das Duo ihr neues Album „Marienborn“ unter ihren Klarnamen. Man muss keine Bedenken haben, denn die Beiden sind ihre Wurzeln in der klassischen Musik treu geblieben. Marienborn erzählt allerdings eine andere Geschichte in der Instrumentalisierung, wie man es von den Brüdern gewohnt ist. Viel intimer und mehr experimenteller, mit dem wohligen und bekannten Hauch an Nostalgie, welches das DUO seit ihrem Debüt auszeichnet.
Vorstellen muss man die Zwei nicht mehr. Ab dem Album „Concrete Fields“ von 2018 begleiten die Zwei das Magazin mit ihren herausragenden Alben. Verfolgt man den Wertegang von CEEYS, dann muss man einfach feststellen, dass die Beiden in ihrem eigenen Expressionismus exorbitant ausgebaut haben. Klang, Ästhetik und eine gewisse Form an Interpretation der modernen Klassik sind vertraut und charmant in den Klangblüten eingearbeitet. Das letzte Werk „Hausmusik“ bestach durch Nostalgie und Einfühlungsvermögen, in einer akustischen Bildsprache verfasst, die sehr tief in das eigene Herz reicht. Die beiden beschäftigen sich sehr oft mit der Vergangenheit, die DDR-basierenden Themen, welche die Brüder eigentlich immer in ihren Musikstücken verarbeiten. Eine akustische Abhandlung gibt es nun mit „Marienborn“, der größte und bedeutendste Grenzübergang an der innerdeutschen Grenze während der deutschen Teilung, das heute eine Gedenkstätte ist.
Ein expressionistisches Werk mit musikalischer Seele
Doch was ist jetzt anders als bei ihrem Hauptprojekt von CEEYS? Musikalisch basiert das Album vorwiegend auf einer Auswahl besonderer Samples. Zum einen kommen diese von einer Library, die die beiden im Auftrag für den kanadischen Content-Provider LandR produziert haben. Im zweiten Paket der Reihe, Prepared Piano – intern GO EAST II – Pianos genannt, stehen zwei Klaviere aus Daniels Kindheit im Zentrum, die er bis heute spielt. Zusätzlich zu den Klavieren werden Texturen eines virtuellen Streichquartetts hörbar, das von Ólafur Arnalds und Viktor Orri Árnason für Spitfire Audio meisterhaft kreiert wurde und in dem Sebastian seinerzeit den Cellopart eingespielt hatte. Die große Stärke für feinfühlige Seelen ist das Einfühlungsvermögen von dem Album. Fragile Klavieranschläge mit warmen Schichten, die einem sanft umhüllen. Hinzu kommen die typischen Bögen der Streich-Arrangements, ummantelt mit neoklassischer Raffinesse, ein immersives Ambiente voller Tiefgang und emotionaler Bandbreite. Der Minimalismus und das dynamische Tempo sind eine weitere Charakterstärke von „Marienborn“. Die Identifikationsschwelle mit der Musik ist exorbitant beim Hören einiger Stücke. Als hätten die Zwei ein Buch aufgeklappt, um bestimmte Ereignisse bei einem selbst in einer musikalischen Sprache zu erzählen. Die beiden Klaviere sind natürlich die Leitinstrumente auf einer sehr emotionalen Ebene, die zwischen Melancholie und Romantik wie ein Leuchtfeuer in einem selbst brennt. Es glänzen die ruhigen und intimen Facetten, die eine sehr entspannende Aura besitzen. Sehr reduziert sind die elektronischen Nuancen, blitzen in einzelnen Stücken hin und wieder auf, um die sphärischen Klanglandschaften auf eine experimentelle Ebene zu heben. Wie die meisten Kompositionen aus der Feder der Brüder ist „Marienborn“ ein expressionistisches Werk mit musikalischer Seele geworden. Insgesamt erzählen 10 Titel eine Geschichte rund um den Grenzübergang mit emotionalem Hintergrund, in die man als Hörer einfühlt. Die freudige Anreise über die Landstraße, der stundenlange Stau davor – das Album behandelt ein Stück Geschichte auf eine charmante Art der Akustik. Die Musik ist ruhig und ausgeglichen, einem bei der Hand zu nehmen. Das war schon immer die große Stärke der beiden Selke und setzt sich nahtlos fort mit diesem Werk. Sie ist immer persönlich und bodenständig, die melancholische Ader erreicht eine Ebene, die fast einzigartig ist auf dieser Welt. Stücke wie „Transit Traffic“ oder „Autobahn A2“ sind prädestiniert, diese Aussage doppelt zu unterstreichen. Abschließend kann und muss man die Musik von Daniel und Sebastian Selke hervorheben, zwei Musiker mit Herz und tiefer Seele, die es vermutlich nur einmal auf dieser Erde gibt. Dafür sollte man dankbar sein, die Mischung aus Ambient und Neoklassik wird man noch Generationen nach uns hoffentlich zu schätzen wissen. Auf ihrem neuen Werk „Marienborn“ beweisen die Brueder Selke, dass sie noch sehr viel zu erzählen haben in der Zukunft und ihr Weg immer weiter an die Spitze der zeitgenössischen Künstler in der klassischen Musik führt. Release ist der 11. November 2022 über das Label Oscarson in digitaler Form, sowie auch als 12"-Vinyl mit handgefertigter Deluxe-Edition. Links zu Brueder Selke:
Marienborn - Songliste /Dauer:
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