Klassisch und doch Modern.
Seit sehr vielen Jahren begleitet der italienische Komponist Luca Longobardi das Musikmagazin mit seinen herausragenden und atmosphärischen Werken. Man hat immer das Gefühl, die Musik aus der Feder des Italieners ist manchmal wie von einer anderen Welt. Sehr geprägt hat er das Musikfeld der modernen Klassik, dabei zeigt er den Hörer oft immer eine äußerst, expressionistische Seite. Sehr experimentierfreudig mit der Musik ist Luca Longobardi, verlässt dabei nie den melancholischen Rand in seinen Stücken. Mit dem neuen Werk „1751“ schlägt der Italiener nun ein neues Kapitel in seiner Musikgeschichte auf, in dem er zu den Wurzeln der klassischen Musik zurückgeht, aber auch große Schritte in die Moderne geht.
Vorstellen muss man einen Luca Longobardi auf diesen Seiten sicher nicht mehr. Schon damals kristallisierte sich das einzigartige Musikverständnis vom Italiener heraus, der immer eine bodenständige Portion Melancholie in vielen seiner Werke integriert. Mit dem Album „Segments“ aus dem letzten Jahr hat man schon hören können, wie er moderne Nuancen mit klassischen Elementen zu einem homogenen und ästhetischen Klangteppich formen kann. Sein neues Werk agiert auch nach einem Konzept, welches der Komponist im Jahre 2017 begann – die Erforschung zur barocken Kompositionspraxis. Das Studium der Musik ist ein breit gefächerter kognitiver Weg, der durch Interpretationen, Neuinterpretationen und Manipulationen der Regeln die Ausdruckskanons des 17. Jahrhunderts untersucht. Denn mit dem Tod des berühmten, deutschen Komponisten Johann Sebastian Bach im Juli 1750 endet nicht nur die Barockzeit, sondern auch die Polyfonie selbst. Longobardi hat daher dieser Epoche, wie auch der Gegenwart mit „1751“ ein weiteres, akustisches Denkmal gesetzt.
Eine Reise in die Vergangenheit und Zukunft
Man kann sich fragen, was hätte eine musikalische Größe wie J. Sebastian Bach gedacht, würde er heute „1751“ hören? Mit Sicherheit hätte es ihm gefallen, den Luca Longobardi präsentiert sein neues Werk nicht nur als akustischen Spiegel im modernen Gewand, sondern fängt auch die Nostalgie und die Aura des damaligen Jahrhunderts nahezu perfekt ein. Das Album ist eine Mischung aus klassischen Stücken in Sonatenform am Klavier und sphärischen Klanglandschaften der Elektronik. Modulare Effekte formen eingängige Blüten und sind emotional aufgestellt, die Klangsynthese auf dem Synthesizer formen in den Strukturen eine dynamische Resonanz, inklusive vielschichtiger Programmierung. Hinzu kommt dieser doch recht typische Faden an Melancholie vom Italiener, welche als akustische Bindung zum Hörer agiert. Das andere Bild auf „1751“ ist die pure Essenz der klassischen Musik, formvollendet am Klavier und in zwei Stücken durch das fabelhafte Spiel mit der Violine von Laura Masotto noch einmal besonders zum Ausdruck gebracht. Man muss dabei anmerken, dass „1751“ nicht einfach nur Neuinterpretationen der damaligen Komponisten wie Scarlatti sind, sondern Longobardi hat einen sehr progressiven Teil an Expressionismus einfließen lassen. Mit dem Ziel, die Originalkompositionen stilistisch zu unterstützen, die sich stattdessen ausschließlich in elektronischem Experimentieren und Sounddesign bewegen. So wirkt „1751“ mit seinen insgesamt 11 Stücken wie eine Reise in die Vergangenheit und Zukunft, immer abwechselnd ist das Album aufgebaut, dies präsentiert das Album fast als große instrumentale Suite, ein einzelner Akt, abgetrennt jeweils durch Elektronik und Klassik. Ein paar Titel fallen dabei besonders auf, da sie mit ihrer Eingängigkeit und Ästhetik glänzen. Da wäre das anmutige und gefühlsbetonte „Mutazione #1“ ein wahres Juwel der Klangimprovisation mit romantischem Unterton. Bedächtiger erklingt „The Long Walk“ mit wabernden und emotionalen Texturen, während „Rain - Seconda Mutazione“ das ganze, exorbitante Musikverständnis vom Italiener aufweist. Der Titelsong „1751 (Corale)“ verschmilzt ein wenig beide Seiten der Medaille, die auf dem Album vorherrschen. Ein sehr sphärisches Stück mit leicht, orchestralen Zügen beendet Luca Longobardi seine Reise in das 17. Jahrhundert mit einem würdigen Schlussakkord seines neuen Albums. Lobenswert, und das ist keine Selbstverständlichkeit, ist die gesamte Spiellänge. Denn die ist mit fast einer Stunde sehr üppig ausgefallen für ein Album in diesem Musikbereich. Genug Zeit bleibt da, einzutauchen in eine Klangästhetik der besonderen Art, denn Luca Longobardi hat sehr viel Herzblut in den Arrangements gesteckt. Es mag nicht jedermanns Geschmack sein, denn diese hoch-melancholischen Klavierspiele, für die man den Komponisten in sein Herz geschlossen hat, wird man hier vergeblich suchen, doch „1751“ ist mehr als eine akustische Zeitmaschine anzusehen. Quasi zurück in die Zukunft. Release ist diese Woche, der 23. September 2022. Links zu Luca Longobardi:
1751 - Songliste/Dauer (gekürzt):
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