Nummer Eins im Ambient
In meinen Augen gibt es wahrscheinlich nur zwei Arten, wie man Musik in Worte fassen kann. Entweder bricht man trocken die Strukturen der Songs auf und analysiert diese bis in das kleinste Detail. Oder man zieht sich zurück, an einen ruhigen und vertrauten Ort, setzt die Kopfhörer auf und beschreibt beim Hören seine Gedanken, Gefühle oder Empfindungen. Besondere Musik braucht auch besondere Worte – wie in diesem Fall das Debütalbum Nummern vom Berliner Jan Wagner. Denn: das Genre des Ambient ist wie der Sternenhimmel. Viele Künstler schimmern da am Firmament, manche heller als andere. Der Stern von Jan Wagner dürfte so eine Art Sirius, der hellste Stern am irdischen Himmel, für das Jahr 2018 darstellen.
Bevor wir die Musik vom Berliner Komponisten sprechen lassen, muss man kurz auf die Biografie des Komponisten eingehen. Jan Wagner ist Pianist, Produzent und Tontechniker. Er spielt seit seinem 5. Lebensjahr Klavier. Er ist fasziniert von der Musik, die unter der Oberfläche verborgen ist. Klänge, die für viele Seelen einfach unhörbar bleiben, kein Wunder dank unserer schnelllebigen Gesellschaft. Im Laufe der Jahre mixte er eine ganze Menge Platten für ein Berliner Techno-Label. Doch die Liebe zum Minimalismus ist nie versiegt. Genauso wenig wie zu den musikalischen Wurzeln. Mit dem Debüt kommt auch eine Menge Persönlichkeit hinzu: Es ist eine Art Tagebuch, in dem nicht der Komponist, sondern der Zuhörer seine Geschichte schreibt.
Wie ein Film, bei dem der Hörer auf dem Regiestuhl sitzt
Wie kann man das Debütalbum am besten beschreiben? Es ist wie ein Puzzle. Bei dem Klavier und elektronische Texturen und Kollagen so zusammengesetzt werden, dass alles ein passendes Bild ergibt. Und zwar ein ästhetisches Klangbild, bei dem jedes Teil der Akustik an seinem passenden Platz gesetzt wurde. Das homogene Gefüge der vereinten Klangfarben ergänzt sich daher perfekt. Dem Hörer wird eine hochsensible Melancholie offenbart, die Herz und Seele durchbohrt, ohne verletzend zu wirken. Melancholische Fassaden, weit entrückt von der eigentlichen Realität und trotzdem sehr persönlich. Für den Komponisten wie dem Hörer. Entfesselt durch elektronische Klangkaskaden, die niemals aufdringlich sind. Inklusive Alltags-Geräuschen, die sich nahtlos einfügen in das Gesamtbild, wie beispielsweise das simple ticken einer Wanduhr. Nummern kratzt mit seiner Instrumentalisierung an die Perfektion. Das Debütalbum ist wie ein Film, bei dem der Hörer auf dem Regiestuhl sitzt. Zu den Stücken driftet man in weit entfernte Universen im Kopf, fühlt sich trotzdem sanft ummantelt mit diesem akustischen Zauber. Man fühlt sich wie der Wind, der sanft über die Dünen streicht, der Nebel der die Bäume im Herbst majestätisch verhüllt oder der Regentropfen, der seine Geschichte beim Verlassen der Wolken erzählt. Viel Metaphern können herangezogen werden, es wird nicht mal eine poetische Ader vorausgesetzt. Faszinierend ist auch die Tatsache, von den ersten Tastaturanschlägen wird man in einen Bann gezogen, der sehr Neugierig auf das Album macht. Mit jedem Durchlauf wird dieser Aspekt nicht geschmälert. Ein wahres Kontrastprogramm
Ein wenig Vorsicht ist trotzdem geboten: Nummern nimmt sich Emotionen und wirkt tief in die Welt der Gefühle ein. Gibt sie aber auch zurück. Doppelt und Dreifach. Bei dem Stück „Nummer I“ fühlt man sich verloren, es ist wie ein leiser Schrei, der aus der eigenen Seele entweicht; um dann aus dem Kollaps gestärkt aufzuwachen. Der Titel „Nummer L“ mit dem eingängigen Klavierspiel und der verzerrten, elektronischen Agogik wirkt aufwühlend und hektisch, bei dem der Hörer Energie freisetzen kann. „Nummer A“ besitzt eine meditative Mentalität aus Ruhe, Beschaulichkeit und Frieden, bei der man „Eins“ mit sich selbst und dem Universum ist. Das Debütalbum „Nummern“ besticht durch ein wahres Kontrastprogramm. Eines, dass lange in der Erinnerung nachhallt. Jetzt, wo die Tage kürzer werden, wo einem die Herbstmelancholie packt, ist „Nummern“ von Jan Wagner die passende, musikalische Untermalung. Aber nicht nur hier kann man zu dem Debüt greifen, es dient auch als Art Ruhepol in stressigen Zeiten. Die Musikbereiche aus Ambient und Neoklassik bilden schon lange eine Symbiose, auf „Nummern“ lernt man diese auch zu lieben und zu würdigen. Es erhält von uns deshalb auch eine klare Empfehlung. Spannend bleibt die Frage, wie man diesen Level noch übertreffen will. In einem kommenden Interview mit Jan Wagner werden wir die Hintergründe vom Debüt und den Komponisten näher kennenlernen. Auf das Gespräch kann man sich im Oktober freuen. Und natürlich auf das Debüt, welches am 26. Oktober 2018 über Klangbad veröffentlicht wird. Ein wahres Genre-Juwel. Links zu Jan Wagner:
Nummern - Songliste /Dauer:
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