Friedrich Nietzsche schrieb einmal: „Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden jähen Bach des Lebens.“ Das Thema Hoffnung spielt im Leben von Lorenz Weber eine große Rolle. Als Philosoph, auch als Musiker. Denn diesen Monat erscheint sein neues Album „Ray of Hope“. Gerade in Zeiten von Pandemie und Krieg verlieren viele Menschen die Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Was kann man da tun? In einen Interview erzählt Lorenz Weber über sein neues Album und wie man trotzdem Ohnmachtsgefühle besiegen kann.
"I am a wanderer, a seeker. I am a silent, an acrobat." - Lorenz Weber
Hallo Lorenz, aktuell wie geht es Dir gerade? Hei, vielen Dank, dass ich hier sein darf. Mir geht es sehr gut, mit etwas Müdigkeit aber viel Zufriedenheit. Ich arbeite gerade täglich viel an ganz wundervollen Projekten. Wenn ich dann Nachmittags erschöpft in der Sonne sitze, lass ich den Tag hinter mir. Die Sonne hat schon viel Kraft und ich merke - sie gibt mir etwas ab.
Am 25. März erscheint das neue Album „Ray of Hope“, ist man da im Vorfeld aufgeregt oder gilt ein Release für dich schon als Routine? Ja, ein bisschen bin ich schon aufgeregt, nicht sonderlich, eher gespannt. Ich habe bisher meine stillen Musikimprovisationen und Kompositionen vor allem einer kleine Community präsentiert. Einfach und direkt. Ich habe auf dem Klavier gespielt, und es am selben Tag noch, häufig mit einem Gedicht und einer Fotografie, veröffentlicht. Ich mochte immer diese Unmittelbarkeit der Verbindung zwischen den Hörenden und mir. Dies ist in dem Sinn, mein erstes “größeres” Release. Mit langer Vorbereitung, Planung und Absprache. Etwas ungewohnt, aber daher umso spannender.
Erzähle ein wenig über Deine musikalische Vergangenheit. Wie bist Du zur Musik gekommen? Musik begeistert mich in jeder Hinsicht schon seit meiner Kindheit. Früh haben mich Künstler wie Mùm, Dillon und Sóley geprägt. Vor gut zwei Jahren habe ich den Künstler “Nebel lang” kennengelernt. Wir haben uns schnell angefreundet und das Projekt “Weber & Alcantu” gegründet. Darin haben wir Musik mit Illustrationen und Text in einem kleinen handgemachten Büchlein verbunden. “Nebel Lang” hat mich neben dem Projekt gelehrt, wie ich meine Impulse am Klavier ausdrücken kann. Er hat mich frei gemacht von Vorstellungen und Erwartungen und mir gezeigt, wie ich durch das Klavier sprechen kann. Seine Philosophie hat mich tief beeindruckt, nach und nach habe ich eine eigene Form gefunden. Ich hab die Musik erschaffen die mir im Alltag gefehlt hat. Musik die die Stille hörbar macht, die mich ruhen und fühlen lässt. Ich bin dabei geblieben.
Bevor wir zum Album kommen, du beschäftigst dich nicht nur mit Musik. Erzähle doch bitte gerne etwas über deine anderen Projekte? Ich studiere an der Goethe-Universität in Frankfurt Philosophie im Master. Gerade habe ich meine Masterarbeit zum Thema “Hoffnung über den Tod hinaus” geschrieben. Darin analysiere in wie weit Ernst Blochs Hoffnungs-Konzeption auch einen theologischen Charakter hat. Ansonsten bin ich noch Gründer der Projekte Weber & Alcantu und gallery mol, sowie Teil von Humming & Stone.
Deine aktuellen Forschungsinteressen konzentrieren sich auf das Konzept der Hoffnung. Nach Corona und nun mitten in Europa ein Krieg – kannst du verstehen, wenn Menschen jede Hoffnung auf eine bessere Zukunft verlieren? Ich denke wir leben in einer sehr herausfordernden Zeit. Durch das Internet sind wir heutzutage viel Näher an den Krisengebieten dran, als es noch früher war. Bilder aus Kriegsgebieten oder Krankenhäusern und ständige Berichterstattung sind wichtig, zugleich aber können sie auch viel belastender sein. Wir sind weit weg und doch irgendwie mitten drin. Ich kann mir gut vorstellen, dass das Menschen total überlasten kann und sie die Perspektive in die Zukunft verlieren und sich Hoffnungslosigkeit breit macht.
Wie hast du die aktuelle Krise mit dem Wahnsinn von Putin verarbeitet? Mir hat es gut getan, mit anderen Menschen darüber zu sprechen und versuchen es in seiner Gänze zu verstehen, warum es dazu gekommen ist. Dadurch konnte ich das ganz etwas besser einordnen. Das Leid, was dadurch entsteht, ist dennoch etwas, was mir täglich nahe geht. Das kann ich dann am Klavier zum Ausdruck bringen.
Was kann ein Mensch tun, um neue Hoffnung zu bekommen? Das ist eine sehr gute Frage. Ich will mit einer kleinen Erzählung anfangen. Ich bin momentan in der humanitären Hilfe am Hauptbahnhof in Leipzig tätig. Die Arbeit ist in jeder Hinsicht unglaublich herausfordernd und emotional. Nach einer Woche langer Tage und kurzer Nächte, war es Freitag. Über Tausend Geflüchtete sind an diesem Morgen angekommen, wir haben jeden einzelnen betreut, einen Schlafplatz besorgt oder bei der Weiterreise geholfen. Später auf dem Weg nach Hause, bin ich zu Fuß, durch die Straßen spaziert, hab etwas Musik gehört.
Die Sonne hat geschienen. Ich spürte plötzlich eine unendliche Leichtigkeit und Glücklichsein in meinem Körper, das war unglaublich. So als wären alle Sinne des Lebens erfüllt. Mir hilft es enorm, etwas zu tun. Das schlimmste für mich ist das Ohnmachtsgefühl, nichts machen zu können. Aber wenn ich z.B. etwas tue wie humanitäre Hilfe oder ehrenamtliche Arbeit, oder mich für mich Umweltschutz einsetze (die Liste ist ewig), dann hab ich das Gefühl, dass ich aktiv am Weltgeschehen teilnehme und Handeln kann. Darin lerne ich dann noch Menschen kennen die auch das Problem in die Hand nehmen und wenn Menschen für gutes zusammen kommen, kann eine unglaubliche Energie entstehen. Das gibt mir Hoffnung und das starke Gefühl, dass alles gut wird.
Ich selbst, bin zeitweise ein eher melancholischer Mensch
Ray og hope erscheint am 25.03.2022.
Hoffnung macht auf jedem Fall das neue Album. Es ist sehr meditativ und voller Ruhe. Erzähle doch ein wenig zur Entstehungsgeschichte? Das knüpft sehr gut an die obigen Fragen an. Die Lichtblicke sind in schwierigen Zeiten, in denen alles verloren wirkt, so wichtig für Menschen, nicht in Hoffnungslosigkeit zu versinken. Denn dort sehen und erahnen wir was in der Zukunft möglich ist und können Hoffnung und Kraft schöpfen. Ich wollte dieses Prinzip an etwas ganz alltäglichen zeigen. Eben an der Sonne im Winter und dem Regen im Sommer.
Das Album hat nur 2 Titel im Gepäck, die beide 35 Minuten Spielzeit besitzen. Ungewöhnlich, eine bewusste Entscheidung? Ja absolut. Ich wollte diese Lichtblicke erfahrbar machen. Ich fühlte beim Spielen, dass es dafür viel Zeit und Raum braucht.
Protagonist ist das Klavier, was macht das Instrument in deinen Augen so besonders? Das man es nicht mitnehmen kann. Auf ein Klavier muss ich treffen wenn ich unterwegs bin. Es steht irgendwo herum, in einem Wohnzimmer, Hotel, Bahnhofshalle... Es wartet nahezu gespielt zu werden. Für mich wird es in diesem Moment zu einem Subjekt. Ich treffe auf das Klavier und trete in Kontakt mit ihm. Dabei ist es so individuell wie der Mensch selbst auch. Nicht ich allein erzähle eine Geschichte, sondern gemeinsam tun wir dies.
Dem Album liegen wundervolle Naturaufnahmen zu Grunde. Hast du die selbst aufgenommen? Ja, die habe ich selbst aufgenommen. Die Vögel haben im Dezember um einen uralten Apfelbaum herum nach Nahrung gesucht. Gerade Vormittags, dann wenn die Wintersonne rauskommt sind sie etwas aktiver. Der Regen im Sommer kam ganz plötzlich. Es war ein sehr heißer Tag und ein starker Sommerregen kühlte für kurz Zeit die Straßen. Field-Recording ist ein spannendes Feld, es hat mich gelehrt meine Umwelt neu wahrzunehmen.
Wenn du dich entscheiden müsstest – der Sommerregen oder die Wintersonne, was berührt deine Seele am meisten? Ich möchte mich nur ungern entscheiden. Beides hat eine starke Kraft und ich liebe diese speziellen Momente der Jahreszeiten gleichermaßen.
Was ich an deiner Musik und deiner Kunst gefühlt habe, war eine vertraute Melancholie. Wie wichtig ist es Dir, dass diese Emotionen berühren? Das freut mich zu hören und mir bedeutet es viel. Ich selbst, bin zeitweise ein eher melancholischer Mensch. Seit dem ich dass gut annehmen kann, habe ich erkannt, dass darin kein Mangel, sonder Feinheit und auch Reichtum liegen kann. Es ist eine tiefe Emotion aus der ich viel Energie und Kreativität schöpfe, zugleich Empathie und Nächstenliebe möglich macht.
Hast du schon Ideen für ein Nachfolgeprojekt? Gerade habe ich meine humanitäre Arbeit, in einer langen Improvisation “How to be Human?” verarbeitet und veröffentlicht. Im Sommer wird ein Album mit eher kurzer Stücken bei Giraffe Tapes rauskommen, da freu mich schon besonders drauf. Ansonsten arbeite ich gerade mit meiner Partnerin (Humming & Stone) an einem ersten großen Album. Im Sommer widme ich mich aber erstmal nur dem Leben in der Natur.
Ich liebe es draußen in der Natur zu sein
Lorenz Weber (*1992), lebt in Leipzig. Dichter und Pianist.
Was macht ein Lorenz Werber, wenn er nicht am Klavier sitzt oder im Studio anzutreffen ist? Ich liebe es draußen in der Natur zu sein. Wandern, Bergsteigen,Gartenarbeit, Sauerteigbrot backen oder mit dem Fahrrad aufs Land raus zu fahren und auf einer Wiese einen Mittagsschlaf zu machen. Ich muss sagen, ich schätz die einfachen Dinge und Arbeiten im Leben schon sehr.
Verfolgst du die Veröffentlichungen im Bereich deiner Musik? Welches Album oder Komponist hat dich zuletzt Allgemein sehr beeindruckt? Unter Moderna Records ist vor kurzem das Album Formations von Julia Gjertsen erschienen. Das hat mich schon sehr beeindruckt. Es hat einen schönen Fluss, zugleich etwas sehr magisches. Ansonsten finde ich nicht so viel Zeit zum stöbern. Aber ich bin mir bewusst, es gibt wunderbares da draußen.
Was würdest Du jungen Leuten raten, die talentiert sind und gerne Musik komponieren, es aber nicht wagen ihre Musik zu veröffentlichen, weil sie denken, dass sie schlecht wären oder es niemand interessiert? Mach es in erster Linie für dich. Wenn es dich berührt, dann ist es wahr und dann ist es auch schön. Du kannst zweifeln, aber mach es und versuch es. Du kannst später, wenn es nicht so geklappt wie erhofft, noch enttäuscht sein. Aber nicht schon zuvor. Nur Mut!
Wie siehst du im allgemeinen die deutsche Musiklandschaft? Erzähle doch bitte, was dich stört und was du im Gegenzug vorbildlich siehst. Dazu kann ich nicht viel sagen. Ich kenne mich zu wenig aus und es liegt mir nicht sonderlich, ein Urteil darüber zu bilden.
Was genau kann die Presse, Redakteure oder Journalisten tun, um klassische bzw. deine Musik populärer zu machen? Ich fühle, dass Interviews eine schöne Art sind, den Hörenden die interessiert sind, meine Gedanken und meine Welt etwas näherer zu bringen.
Vielen Dank Lorenz, die letzten Worte gehören Dir: Vielen Dank für dieses wundervolle Interview. Es hat mir sehr gefallen und mich zu ein paar neuen Gedanken gebracht. Be your own Revolution.! ;)