Das Debütalbum Walden von Jochen Tiberius Koch ist ein weiteres Indiz für hochklassige Musik im Genre der Neoklassik aus Deutschland. Fast wie aus dem Nichts erobert Walden zurzeit die internationale Bühne, hochgelobt von Künstlern, Presse und die Musikliebhaber. Trotzdem ist Komponist Koch ein bodenständiger Mensch geblieben. Das Debüt beinhaltet einen enormen philosophischen Mehrwert, den es zu erkennen gilt und mit etwas Glück für sich selbst nutzen kann. Zeit, den Komponisten etwas näher in einem Interview kennenzulernen.
Walden, das Debütalbum erschien am 27.07.2018
Hallo Jochen, wie geht es Dir gerade? Mahlzeit André, danke der Nachfrage; im Seelenleben ist alles heil nur, wenn nicht bald der Sommer und seine fies-finsteren Sympthome vorrüber gehen stumpft mich das ordentlichst ab...diese Jahreszeit entwickelt für mich keinerlei explizite Emotion, da geht es nur ums runterkühlen so feist wie geht. Aber sonst ist alles in feinster Grundordnung! Ich hoffe Dir gehts gut?! Dein Debütalbum ist nun veröffentlicht. Warst Du im Vorfeld ein wenig aufgeregt deswegen, oder gehört das zur Routine eines Komponisten? Eine Aufregung ist immer mit von der Partie! Gerade wenn es sich um ein Release in Japan handelt...ich glaube für so ziemlich jeden Indiekünstler/in ist Japan als Standort für musische Darbietung etwas ganz besonderes. Ich denke das kommt auch daher das sich in diesem kleinen Lande verschiedenste Einflüsse wiederspiegeln und Künste jeglicher Art dort einen ganz anderen, einen besonderen Stellenwert einnehmen! Außerdem ist es eine Freude mit den Menschen zu arbeiten, sich auszutauschen! Musikfreunde und vor allen die Presse lobt das Album in höchsten Tönen. Bist du überrascht von so viel positiven Kritiken? Hmm, wärend des Prozesses der Entsteheung kommt es immer wieder dazu dass man versucht das bisher entstandene zu reflektieren, manchmal holt man sich auch andere Höreindrücke aus dem sozialen Umfeld ein. Bei jeder Platte ist dies für mich einer der spannendsten Momente, wenn die Reviews und Plattenkritiken erscheinen und gerade im Falle von "Walden". Schließlich verfügt die Platte nicht nur über ein Konzept mit literarischer Vorlage, sondern auch einen enormen philosophischen Mehrwert, den es zu erkennen gilt und mit etwas Glück für sich selbst nutzen kann. Die Musik steht aber im Vordergrund und es erbaut stets weiterzuarbeiten und sich die Entstehungprozesse eines kommenden Albums auf sich zu nehmen wenn die Kritikerwelt mit leichten Mitteln dahintergekommen ist was man sich zu welchem Stück gedacht hat. Es überrascht vielmehr wer sich zu der Platte äußert; und danach wie sehr man sich die Platte zu Ohren geführt hat und sich seine Gedanken darüber gemacht hat...das lässt doch sehr hoffen dass Menschen sich überhaupt noch mit verschiedensten Themen beschäftigen! Deine Musik läuft in der BBC, Größen wie Max Richter, Poppy Ackroyd und vor allem Ólafur Arnalds haben Songs von Walden in ihre „classical music playlists“ gepackt. Wenn Du so etwas liest, welche Gefühle oder Gedanken gehen Dir dann durch den Kopf? Wohlig! Es ist ganz famos wenn auf einmal Namen im selben Atemzug aufgeführt werden welche die eigenen Ohren frönen. Diese Art Gefühle kann man nicht in irgendeine Kaste packen, lediglich das der Serotoninspiegel steigt und es eine Freude ist...so ist es sicher am ehesten zu umschreiben!
Melancholie sowie abstrakter Humor stecken in ein und derselben Brust
Henry David Thoreau war ein amerikanischer Schriftsteller und Philosoph. Sein Buch Walden diente als Inspiration.
Kommen wir zum Debüt Walden, das inspiriert wurde vom gleichnamigen Buch von Henry David Thoreau. Wie bist du auf diese Inspirationsquelle gestoßen und was hat dich daran fasziniert? Auf Walden bin ich gestoßen da wir damals Hundezuwachs bekamen und des öfteren im Wald aufhielten. Wenn man sich mit Sekundärliteratur beschäftigen mag kommt man schnell in einen wissenschaftlichen Bereich, aber was sagt ein Seelenleben dazu? Man stößt förmlich auf Thoreau. Da ich selbst urban lebe, dies zwar auch schätze, nichtsdestotrotz auch verabscheue vereinnahmte mich die Philosophie rasch! Thoreau schreibt in zeitgemäßen Worten was heute an Aktualität in nichts nachsteht und mehr denn je von Interesse ist. Sei es für das Gemeinwohl oder das eines jeden Einzelnen.
Sein Ziel war damals, zu sich selbst uns zurück zu der Natur zu finden. Das war 1845. Hast du daran gedacht, mal selbst so eine Erfahrung zu sammeln? Oder würde so ein „Experiment“ in unserer heutigen Gesellschaft scheitern? Für mich ist der Aspekt eines völligen Verzichtes zwar zu Stücken ein arg löbliches, jedoch bin ich, unter anderem auch Berufsbedingt, viel zu sehr in die Schnelllebigkeiten des 21ten Jahrhunderts gefangen, und zehre auch davon. Sauge auf und verarbeite. Die Gedanken an eine Weltenflucht bestehen, konfrontiert mit Ängsten und konträren Bedürfnissen nicht zwangsläufig umzusetzen. Das Leben im Walde birgt eine romantische Vorstellung was seinesgleichen sucht, im Tonstudio das Mischpult "hochfahren" ebenso...
Wie viel Naturverbundenheit und Melancholie steckt in Jochen T. Koch selbst? Jochen Koch ist ein recht bedächtig, lebender Mensch der vielen irrelevanten Erzeugnissen hiesiger Zeiten kritisch gegenübersteht und ablehnt. Nicht den Fortschritt verwehrend, jedoch etwas bedächtiger mit Rohstoffen und manpower umgehend. Melancholie sowie abstrakter Humor stecken in ein und derselben Brust.
Ein ganz kleines, besonderes Denkmal
der deutsche Schauspieler Dieter Bellmann zitierte auf Walden einige Passagen (Foto: Steffen Prößdorf)
Wann hast du angefangen, erste Stücke für Walden zu komponieren? Die ersten Töne begann ich im Januar 2017 aufzunehmen...es war ein recht langwieriger Prozess welcher sich über fast das ganze Jahr hinwegzog und auch einige Änderungen mit sich brachte.
An dem Album Walden haben mehrere Musiker mitgewirkt, wie zum Beispiel das Philharmonie Orchester aus Schmalkalden. Wie war die Zusammenarbeit und gab es Erlebnisse, die in Erinnerung geblieben sind? Ach, die Schmalkaldener sind herzenswarme Menschen; professionell und voller Tatendrang. Eine Wonne!
Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Dieter Bellmann, der leider verstorben ist. Das Stück „the bean-field“ wird so eine bleibende Erinnerung an den Leipziger Schauspieler oder? Ich lernte Dieter Bellmann über seine Frau und seinen Sohn in dem Lokal in dem ich koche kennen. Bei uns herrscht eine recht familiäre Umgangssituation und da lag es nah. Ich dachte lange darüber nach ihn dafür anzufragen und begeistern zu können, auch weil es eine internationale Veröffentlichung werden würde und doch die wenigsten mit der deutschen Sprache etwas anfangen können, diese Stimme jedoch hat ja eine ganz eigene Dynamik, eine eigene emotionale Ausdrucksweise, ganz gleich des gesprochenen Kontents!
Ich hoffe das man Ihm und seiner markanten Stimme mit diesem Titel ein ganz kleines, besonderes Denkmal setzt! Eine unbezahlbare Erfahrung für mich mit ihm zusammenzuarbeiten. Unglaublichst professionell und Stimme und Pathos voller Seele! Es ist schon etwas anderes wenn keine zwei Monate nach einer gemeinsamen Zusammenarbeit im Studio einen solch schockierende Nachricht erreicht!
Auf Walden finden insgesamt 10 Stücke ihren Platz. Gibt es einen Song, auf dem du besonders stolz bist? Und an welchen hast du am längsten gefeilt, dass er perfekt für Dich war? Kniffelige Frage...ein jeder Song benötigt die für ihn gerechte Aufmerksamkeit. Da für mich aber Sprach- und Gesangsaufnahmen nicht alltäglich sind bergen diese immer etwas herrausforderndes...um so schöner wenn etwas dabei rauskommt was meinen Hörgewohnheiten schmeichelt und eine Symbiose mit der Musik eingeht! Produktiontechnisch freut es mich immer wenn keine Probleme mit dem CPU auftreten... ;)
Das Label Schole Inc. aus Japan vertreibt Walden unter ihrer Flagge. Wie kam es zum Kontakt zum Label, bei dem ja auch den Kollege Tim Linghaus ist? Nun, es ist so dass Jochen Tiberius Koch bisher nicht von Labelanfragen aus der ganzen Welt überschüttet wird, da auch das Dargebotene stets explizit und eher wenig mainstreamig ist. Schole Records ist ein großartiges Label, tolle Veröffentlichungen und liebevolle artifizierte Artworks. So dass ich kurzerhand Akira Kosemura, dem A&R des Labels sowie großartiger Komponist ein Demo inkludierend des Konzeptes zukommen ließ. Es dauerte keine zwei Wochen bis ich antwort von ihm erhielt...Freude!
Mit Labelkollegen ergab sich bisher keine großen Kontakte
Jochen Tiberius Koch aus Leipzig.
Bleiben wir doch bei den Kollegen/innen. Gibt es da Musiker, mit dem du regen Kontakt hast, dich austauscht oder mit Interesse verfolgst? Mit den Labelkollegen ergab sich bisher keine großen Kontakte, jedoch arbeite ich viel mit Künstlern aus dem hiesigen Umfeld zusammen. Ganz besonders dabei erwähnen möchte ich Fräulein Laura, welche mich auf allen Produktionen bisher begleitete und hoffentlich auch weiterhin ihre feiste Stimme mit zum Besten gibt! Es ist stets eine Freude mit ihr zu arbeiten und ihr dasein als Mensch!
Was ist deine Meinung, warum der Musikbereich der modernen Klassik ungebrochen populär und viele Menschen weiterhin fasziniert? In Zeiten von Pop und Kommerz sicherlich nicht zu erwarten, oder? Gute Frage André! Ich denke in der zeitgemäßen Klassik werden dem Hörer auch weiterhin Traumlandschaften dargeboten, welche zu schwelgen animieren. Man verbindet damit immer eine gewisse Dramaturgie und Theatralik. iese Musik hat eine gewisse Eigendynamik welche sich perfekt in Alltagsmomente einfügt. Musik kann verschiedenste Metaebenen bedienen, sei es die der Melancholie, als auch der Freude. Das spannende ist die kombination aus traditioneller Instrumentierung und elektronischer Gltiches aus der Zukunft. Das reibt aneinander und paart sich und umfasst ein eigenes aufregendes Höruniversum.
Was können Musikliebhaber in der Zukunft von Jochen Tiberius Koch erwarten? Hast du schon Pläne? Wie sieht es mit Liveauftritten aus, beispielweise auf dem nächsten Q3Ambient Fest? Es wird stets an Neuem weitergearbeitet. Es gibt Konzepte welche unbedingt nach einer Umsetzung ins Reich der Akustik hin schreien. Ich arbeite bereits an einem neuen Konzept. Oktober erscheint noch eine weitere Platte von PÆKWARD! Ein irrer dystopischer Soundtrackähnliches Monster welches sich dem futuren Urbanen cinematisch nähert. Ich hoffe in Zukunft mehr filmische Zusammenarbeit genießen zu können...schließlich ergänzen sich visuell und akustisch gegenseitig um ein vielfaches! Live biete ich dann und wann ein kleines Nicht-kompositorisches, intuitives Setup. Will sagen, da droned es, es knarzt und knsipelt. Soundwände welche stereophonische Rituale zelebrieren. Jedoch sind das die Ausnahmen...Meine Kirche ist die Kreativarbeit im Studio! Die letzten Worte gehören dir: Vielen lieben Dank für die interessanten Fragen lieber André. Allen Menschen wünsche ich ein kleinwenig bedachter mit sich und dem Kosmos in dem agiert wird zu handeln! Lebt lange und Stereo! Und natürlich 42. (Anm. Die Antwort auf alle Fragen)