Man kann es drehen, wie man will. 2018 ist für uns Musikliebhaber ein herausragendes Jahr. Einen großen Anteil daran besitzt auch der Berliner Jan Wagner, der mit seinem Debütalbum „Nummern“ im Oktober eine weitere Sternstunde an Klangästhetik abliefert. Ein Zitat aus der Rezension: „Das Debütalbum ist wie ein Film, bei dem der Hörer auf dem Regiestuhl sitzt.“ Natürlich wollen wir Jan ein wenig näher kennenlernen und haben den Berliner zu dem Debüt und musikalischen Wertegang befragt:
Hallo Jan, wie geht es Dir gerade? Hallo André, mir geht's gut, danke. Gerade gibt es viel zu tun. Die Platte wird diese Woche veröffentlicht und es stehen noch ein paar Sachen an: Interviews, Proben, Promo und so aber es macht mir großen Spaß.
Am 26. Oktober erblickt Dein Debütalbum das Licht der Welt? Steigt langsam die Nervosität dazu oder blickst du dem Termin gelassen entgegen? Überwiegend freue ich mich sehr. Ein bisschen Nervosität ist natürlich auch dabei. Fast zwei Jahre sind vergangen seitdem ich die Musik aufgenommen habe und jetzt darf sie endlich jeder hören. Das freut mich natürlich. Unglaublich wie schnell die Zeit vergeht. (lacht)
Hast du schon weitere Kritiken zu dem Debüt sammeln können? Wie ist das allgemeine Feedback? Ja, ein paar Weitere sind schon eingetroffen. Das Feedback ist durchs Band positiv. Ich bekomme viele Nachrichten, dass die Musik etwas in ihnen auslöst. Das klingt jetzt vielleicht etwas komisch, aber das erfüllt mich mit Freude. Wenn meine Musik jemand anderen berührt habe ich etwas richtig gemacht.
"Gewitter finde ich unglaublich faszinierend"
Das Debüt "Nummern" erscheint am 26. Oktober 2018.
Man kann das Album „Nummern" schon als nahezu perfekt ansehen, was die Klangästhetik betrifft. Wie lange hast Du am Album geschrieben und gefeilt, damit Du zufrieden warst? Vielen Dank für dieses unglaubliche Kompliment. Das Album ist im Jahr 2016 entstanden. Nummer A habe ich Anfang Mai aufgenommen und Nummer N Ende Dezember. Wie lange ich an den einzelnen Stücken gesessen habe, war ganz unterschiedlich. Mal war gleich nach der ersten Aufnahme klar, dass es nichts zusätzliches mehr braucht und manchmal haben wir dutzende Versionen von einer Nummer gemacht.
Erzähl ein wenig über die Entstehungsgeschichte. Was sind deine Quellen an Inspiration dafür gewesen? Es steckt ja eine Menge Persönlichkeit in Nummern. Und wie war die Arbeit im Studio? 2016 war ein intensives Jahr für mich. Ich habe mich oft im Studio zurückgezogen, die Tür zu gemacht und mich ans Klavier gesetzt. Ich habe nicht wirklich darüber nachgedacht was und wie ich spielen möchte. Es kam einfach aus mir raus, das Klavier war mein Ventil. Danach fühlte ich mich, als wäre eine Last von meinen Schultern gefallen. Diese Momentaufnahmen habe ich dann zu James nach Zürich geschickt. Er war für diesen Prozess wie mein zweites Paar Ohren und hat immer verstanden was das Stück noch braucht und was unnötig ist. Als es dann an die finalen Versionen der Stücke ging, lief es eigentlich ganz von selbst. Mir war schnell klar, welche Nummern auf das Album kommen und welche nicht reinpassen. Wir sind beide immer nach dem Bauchgefühl gegangen.
Die Arbeit mit Hans Joachim Irmler hat Dein Musikverständnis erweitert. In welcher Weise hat er Dich beeinflusst? Er hat mir beigebracht (und tut dies immer noch) wie ich mich von jeglichen Formen, Skalen oder Noten frei mache um „meine" Musik zu spielen. Es geht dabei nicht darum, bewusst irgendwelche Regeln zu brechen, nur damit man dagegen ist. Ganz im Gegenteil, wenn es mein Ding ist in Sonatenhauptsatzform Musik zu schreiben, dann soll ich das so machen. Ich muss es nur erst herausfinden, wo und wie ich Musik machen möchte. Was genau in mir steckt und wie ich es am besten durch meine Finger auf das Klavier übertragen bekomme. Ich habe als Studioassistent bei ihm angefangen und habe gerade im Studio und mit den Künstlern viel gelernt. Er hat mir gezeigt, dass ich dem Künstler und der Musik genau zuhören muss. Es geht nicht darum, ein perfekt klingendes Studio zu haben, wo alles vom feinsten ist. Es geht darum, den Moment einzufangen. Über solche Dinge reden wir viel.
Du bist fasziniert von der Musik, die sich unter der Oberfläche verbirgt. Nenn bitte ein paar Beispiele für Klänge, die es Dir angetan haben. Gibt es deiner Meinung den „Perfekten Ton" und wie würde dieser klingen? Gewitter finde ich unglaublich faszinierend. Wenn all diese Energie aufeinanderprallt und sich in Form von Donner entlädt. Oder der Klang einer Kirchenorgel in einer riesigen Kirche. Generell bin ich fasziniert von grossen Hallräumen und wie der Klang sich darin entfaltet.
"Ich finde, es gibt eine tolle Szene für Neoklassik"
Jan Wagner aus Berlin (Fotos by Gene Glover)
Im Kindesalter hast du begonnen, Klavier zu spielen. Wie kam es dazu und welche Erfahrungen haben dich geprägt? Mein Vater hat eine Musikschule im Haus und somit war Musik immer schon ein Teil meines Lebens. Unterricht hatte ich aber nie bei ihm, es war ihm nur sehr wichtig, dass ich immer das spiele, worauf ich Lust habe. Es gab nie Druck, dass ich mehr üben solle. Er wollte, dass ich Spaß am Spielen habe. Abends, nachdem er unterrichtet hatte, bin ich dann an den Flügel und habe meine Musik gespielt. Ich glaube, dass diese Zwanglosigkeit am Ende dafür gesorgt hat, dass ich mich nie vom Klavier entfernt habe.
Wenn klassische Musik deine Wurzeln sind, was war der Ausschlag in das Musikgenre von Techno zu wechseln? Ich habe noch nie ein klassisches Stück gespielt (lacht). Ein guter Freund (Kobosil) hat mich dem Techno nähergebracht. Er ist DJ und Produzent und ich habe viele seiner Platten gemischt. So bin ich nach und nach in diese Klangwelt eingetaucht. Im Techno fasziniert mich, dass kleine Veränderungen oftmals grosse Auswirkungen haben können. Das habe ich verinnerlicht und angefangen, immer weniger zu spielen, um mich auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Wie siehst Du die allgemeine Musikbranche hier in Deutschland? Was ist positiv anzusehen, was nicht? Gibt es etwas, was dich massiv stört und womit du glücklich bist? Ich finde, es gibt eine tolle Szene für Neoklassik. Gerade hier in Berlin gibt es Studios an jeder Ecke, in der großartige Musik entsteht. Heutzutage hat jeder ein komplettes Tonstudio in seinem Laptop. Musik zu machen und sie aufzunehmen ist leichter denn je und dadurch entsteht jede Sekunde neue Musik. Natürlich könnte man sich jetzt über die Wertigkeit und Qualität von Laptopproduktionen auslassen aber das finde ich langweilig. Wenn Musik etwas in mir auslöst und mich berührt, ist es mir egal ob sie aus dem Schlafzimmer von nebenan oder aus den Abbey Road Studios kommt. Und in Zeiten von Streaming ist es möglich, all diese wunderbare Musik auch zu entdecken. Alles in allem finde ich, ist die Branche auf einem guten Weg und ich bin froh, dass uns Künstlern in der heutigen Zeit mehr Mittel und Wege zur Verfügung stehen als jemals zuvor.
Du hast bestimmt schon die nächsten Schritte nach Nummern im Kopf. Wie schauen diese aus? Was darf der Hörer von Jan Wagner in Zukunft erwarten? Diese Woche spiele ich das Release Konzert im Faust Studio. Ich freue mich sehr auf diesen Abend, es fühlt sich gut an, genau an diesem Ort das erste Konzert zu spielen. Und danach gehe ich wieder zurück ins Studio und arbeite am nächsten Album, aber jetzt kommt ja erst mal «Nummern» raus (lacht)
Wie gewohnt, die letzten Worte gehören dir: Vielen Dank für das Interview und vielen Dank, dass du mir die Chance gibst, mich deinen Lesern vorzustellen und ihnen meine Musik zu präsentieren. Es ist meine erste Veröffentlichung und da ist alles noch Neuland für mich (lacht). Es erfüllt mich, dass dich meine Musik bewegt hat. Dafür ist Musik da.