Auch wenn am Firmament im Post-Rock nahezu unendliche Sterne zu finden sind, so kann man immer wieder Neue entdecken. Man muss nicht mal 1200 Lichtjahre reisen, denn soweit ist der Exoplanet 62F von der Erde entfernt. Man lauscht stattdessen dem atmosphärischem Post-Rock der Formation Reaching 62 F aus Karlsruhe, die Anfang Juni ihre neue Single „Exposure“ veröffentlicht hat. In einem Porträt stellen wir die Band und deren Geschichte etwas näher vor.
Die Wurzeln der Band
Die Vier von Reaching 62 F.
Die aktuelle Besetzung von Reaching 62 F besteht aus Ben J. Ashbrooks (Gitarre, Produzent), Rupert Benda (Keyboard), Keven-YannicIwansky (Bass) und Christian Zander (Schlagzeug).
Die Wurzeln der Formation gehen bis in das Jahr 2012 zurück, in dem Ben sich mit dem Thema Post-Rock mit einem ehemaligen Bandmitglied intensiv auseinandersetzte. Kurz darauf kam Rupert dazu. Keven kam letztendlich durch einen glücklichen Zufall in die Band. Er und Ben kannten sich bereits aus Kindheitstagen und sind sich in einem Restaurant über den Weg gelaufen, nachdem sie sich lange Jahre nicht gesehen hatten.
Da sich Keven kurz zuvor von seiner alten Band getrennt hatte und er sowieso auf der Suche nach einem neuen Projekt war, war auch das Timing passend. 2015 stieß Christian zur Band, als der ehemaliger Schlagzeuger sich Anfang des Jahres dazu entschied, die Band im Guten zu verlassen. Seitdem blieb die Formation unverändert. Mit dem Release vom Debütalbum „ChroniclesOf A Dying Sun“ Anfang 2018 hat man auch akustisch einen festen Grundstein für eine mögliche Bandkarriere gesetzt.
Die Vier sind zwar im Genre des Post-Rocks angesiedelt, möchten sich trotzdem nicht allzu sehr darauf festlegen. Das reflektiert sich auch in ihrer Musik, die durchaus Elemente aus dem Alternativen und Progressiven mitbringen. Selbst für experimentelle Facetten sind die Vier offen, der orchestrale Bonustrack auf ihrer aktuellen Single ist eine gelungene Abwechslung. Die Band dazu meint: „Zunächst war der Plan, sich stark im Post-Rock zu verankern, jedoch hat sich über die Zeit herausgestellt, dass wir immer weniger darauf achten und unseren eigenen Platz im Post-Universum suchen. Dies spiegelt sich auch im Namen unserer Band wider, das “Erreichen” des Exoplaneten Kepler 62 F ist eine langwierige Reise, auf der man unterschiedlichste Erfahrungen macht. Genau so sehen wir auch unsere Musik als Reise, auf der wir uns zusammen mit ihr entwickeln.“
Die aktuelle Single "Exposure"
Die aktuelle Single "Exposure".
Mit dem Ausschalten des Kepler-Teleskops Ende letzten Jahres, sind die Vier auf die Idee gekommen, dass dies ein guter Anlass wäre, die Geschichte des Teleskops selbst ein wenig näher zu beleuchten. Da mit dem Teleskop der Planet Kepler 62 F entdeckt wurde und dies nicht nur der Namensgeber der Band ist, sondern auch das Ziel der Reise, welche sie mit dem Konzeptalbum ‘ChroniclesOf A Dying Sun’ begonnen haben, dient die Exposure-Single zusätzlich als konzeptioneller Prolog zum Debütalbum. Somit veröffentlichen Reaching 62 F nicht nur einen neuen Song, sondern erweitern auch ihre kreative Arbeit auf ein Release übergreifendes Konzept. Die Arbeiten am Nachfolgewerk haben bereits begonnen. Aktuell sind die Vier mit der Konzeption und dem Songwriting beschäftigt. Das nächste Release wird sich thematisch mit den Menschen und deren Emotionen auf dem Raumschiff befassen, welches mit dem Debütalbum bereits eröffnet wurde.
Doch wie entstehen die Songs der Karlsruher Band überhaupt? Vor einer neuen Produktion steht zunächst eine grobe Konzeptionsphase, in welcher die Vier überlegen, um was es thematisch gehen soll und wie die Dreh- und Angelpunkte festlegen werden können. Daraufhin startet zumeist das gemeinsame Songwriting, während dann auch erste Ideen für den genaueren Story-Plot entstehen. In dieser Phase entstehen auch einzelne Punkte, an denen man sich Gedanken macht, welche Aspekte einfließen könnten, wie orchestrale Ebenen oder weitere Instrumente. Wichtig ist der organische Prozess und Diskurs zwischen den Bandmitgliedern. Oft entstehen in Proben auch längere Gespräche über einzelne Parts, Songs oder Strukturen und wie diese auf der Band wirken und was sie damit ausdrücken wollen.
Inspiration & Zukunftspläne
Künstlerische Darstellung von Kepler-62f (Ftoto: wikimedia.org)
Man merkt, Raumfahrt und das Science-Fiction-Genre dienen als große Inspirationsquelle der Band. Das ist zwar kein Unikat im Musikbereich, doch immer wieder birgt das Thema einen großen Interpretationsraum für viele Themen. Im Vordergrund steht immer, die Storyline musikalisch zu transportieren. Reaching 62 F betrachten sich mittlerweile weniger als eine Band, sondern eher als eine Art Geschichtenerzähler und die Musik ist lediglich das Medium, den Hörer auf die akustische Reise zu begleiten. An anderen Formationen orientiert man sich nicht, sondern versucht, strukturell diverse Musik aus Filmen oder Serien im SciFi-Genre zu analysieren, um neue Perspektiven für neue Songs zu erhalten.
Fragt man nach der Zukunft der Band, so haben die vier natürlich auch feste Ziele und auch Träume. Die Band dazu: „Das erste Album zu veröffentlichen war auf jeden Fall ein Traum, der bereits in Erfüllung ging. Als Nächstes würden wir gerne Konzerte in einer besonderen Atmosphäre geben. Nicht nur unsere Songs erzählen eine Geschichte, auch live versuchen wir immer mehr, die Geschichte der Tracks in unsere Performance, das Bühnenbild, etc. zu integrieren. Einen Teil zu einem Soundtrack eines Spieles oder Films beisteuern zu können wäre z. B. ein weiterer Meilenstein, den wir gerne erreichen würden. Und ebenso gerne lassen wir uns auch mal zu einer Party nach einem Raketen-Start buchen.“ Aber auch gerade aus der eigenen Region herauszukommen im Bekanntheitsgrad, macht wie vielen anderen Bands Reaching 62 F das zu schaffen. Denn Veranstalter zu finden, welche bereit sind, eine Band aus dem Post-Genre zu buchen ohne Risiko, ist recht schwer. Die Band ist sicherlich nicht die Einzige, die sich wünscht, dass sich das ändert.