NiwoHate aus Halle an der Saale sind eine ambitionierte Post-Rock Gruppe mit experimentellen Anleihen. Ihr musikalisches Konzept ist simpel aber auch essenziell für den Musikliebhaber: Sie stellen die Leinwand und die Farbe, das Bild zur Musik jedoch, malt sich jeder Zuhörer selbst. Mit dem aktuellen Album „Daily Infinity“ zeigt die Band eindrucksvoll, dass nationaler Post-Rock durchaus seine Daseinsberechtigung besitzt. Wir stellen Euch die sehr redselige Band näher vor, über die Entstehungsgeschichte des Albums, die Inspirationsquellen und wie sich die Zukunft für NiwoHate gestaltet:
Wie habt ihr Euch kennengelernt, was war das Kriterium, Euch auf diesen Stil der Musik zu einigen? Jan: Im Prinzip als Schülerband. Ich hatte schon vorher rudimentäre Band- und Instrumentenerfahrung, Lumpi und Pii begannen das Spielen am jeweiligen Arbeitsgerät erst mit Gründung von NiwoHate (deren Name übrigens eine Pausenhof-Schnapsidee ist, der wir uns, allein schon wegen der Erwartungshaltung [„ihr macht doch bestimmt Punk, oder?] nicht entziehen konnten).
Wie so oft bei uns, entstanden Konzepte, Ideen und Spinnereien bezüglich der Musik schon vor dem eigentlich Handwerk…wenn man so darüber nachdenkt, zieht sich das seit Gründung 2006 durch unsere Arbeitsweise :-D Getreu dem Klischee und dem inhärent-inoffiziellen Motto der meisten Schülerbands, wussten wir anfangs überhaupt nicht, wohin das Ganze führen würde: Rock, irgendwie, das auf jeden Fall, wie und was aber, das sollte sich dann ergeben. Und da sich kein Sänger fand (und wir auch nicht wirklich aktiv nach einem suchten), machten wir aus der Not eine Tugend und strickten unsere Stücke um die Gesangsfreiheit herum: etwas, was uns bis heute auf jeden Fall immer noch prägt: das Ziel, auch ohne Gesang etwas erzählen zu wollen.
Lumpi: Schon unser erster Track war ein 12-minütiges Epos, unterteilt in die 6 Phasen eines leeren Versprechens („daher der Name „Empty Promises“)…von Tuten, Blasen und Instrumente spielen keine Ahnung, aber direkt mal im Konzeptrevier der ganz Großen wildern…ignorance as a bliss :-)
Wir drei kennen uns also seit Abi-.Zeiten, Konrad ist das Küken der Band und seit 20014 dabei, hat es aber seitdem geschafft, unseren Sound und unsere Art und Weise des „Songwritings“ massiv zu prägen. Da war aber schon lange (genau genommen 3 Konzeptalben lang) klar, dass wir keinen direkten Gesang wollen, zumindest nicht als dauerhaftes Instrument…wir experimentieren immer noch mit den Möglichkeiten, die eine Stimme als konkretes Instrument oder zur Darstellung gewisser Erzählstränge haben kann, direkten Gesang haben wir aber als Option zumindest derzeit gestrichen.
Das Album wurde mit passenden Bildern im Kopf zur jeweiligen Szene komponiert.
Daily Infinity erschien am 05. November 2016
"Daily Infinity“ ist Euer aktuelles Werk, wie kommt es an und erzählt ein wenig zur Entstehungsgeschichte. Jan: Aufgekommen war das Album eigentlich als Idee für einen „Image-Film“ über uns. Eine Filmgruppe hier in der Stadt hatte sich zum Ziel gesetzt, die hiesige Musikszene zu unterstützen und mit Vorstellungsfilmen die Bekanntheit etwas anzuschieben. An sich ein tolles Ding, dachten wir uns. Da wir aber auf keinen Fall ein konventionelles Frontalinterview mit anschließender Performance eines Stücks (innerhalb von 5-6 Minuten, was bei uns schon schwierig wird^^) wollten, entschieden wir uns, wie eigentlich immer, für die umständliche und weitaus aufwändigere Variante: Wir wollten einen Film dazu drehen, der nicht uns, sondern einzelne Leitmotive unseres Schaffens darstellt, drehen: jeder von uns Vieren (damals noch mit einem anderen Drummer) sollte einen Begriff finden, der unser Schaffen am ehesten darstellen kann. Diese Motive wollten wir dann in die, durch die Person federführend komponierten, Stücke „gießen“ und unsere Interpretation dazu hörbar machen. So entstanden dann die Leitmotive:
-„Heimat“ („This Is Water“) -„Inspiration“ („The Chinese Room“) -„Kunst“(„May The Best Of My Todays Be The Worst Of Your Tomorrows“) -„Leben“ („…Know (All You Need You Have Alone, Guided Only By The Storm)“)
Quasi als Essenz unserer ganzen musikalischen Ausdrucksmöglichkeiten. Um dem Ganzen dann auch noch die visuell benötigte Ebene und Struktur zu geben, ersannen wir einen Plot für den Film, dem wir dann die passende Musik angedeihen lassen wollten. Inspiriert von einem „A Day In A Life“-Film, den damals ein gar nicht so unbekannter Regisseur gedreht und veröffentlicht hatte, machten wir uns an die Arbeit. Der Film bestand aus unzähligen Schnipseln selbst aufgenommener Youtuber, die ein zehnminütiges Exposé aus ihrem Leben geben sollten. Gleichsam hochinteressant und dennoch stinklangweilig, wollten wir ähnliches machen.
In einem Pink Floyd’schen Brainstorming schälte sich dann die finale erzählerische Ebene des Konzeptes heraus: Wir wollten, zumindest ansatzweise, auch den „Druck“ der heutigen adoleszenten Generation beleuchten, der zum Einen von außen kommt (Bachelor-Studiengänge, verschultes Studiensystem und die quasi Abfertigung des Individuums, damit es endlich -arbeitsreif ist und ins Hamsterrad des Kapitalismus entlassen werden kann), aber auch durch die augenscheinliche Unreflektiertheit ebenjener Generation sogar noch gefördert wird, darstellen. Wir haben alle schon Leute kennengelernt, die beispielsweise ein FSJ, also ein Freiwilliges SOZIALES Jahr, nur machen, weil es in der Vita gut ausschaut, und man so besser bei den großen Fischen der Industrie landet. Schlussendlich schälten wir also einen Meta-Plot aus dem Konzept, der sich mit dem beschäftigen sollte, was niemand vergessen sollte, und was uns als Menschen so derart prägt, auch wenn man sich zwischen Kindergarten und Uni-Abschluss augenscheinlich kaum noch eine Ruhepause gönnt, außer es schützt vorm Burn-Out, unseren Kernpunkten, weiter oben also.
So kam es, dass wir uns einen möglichst repräsentativen Tag einer Studentin anschauen und verfolgen wollten: Jogging am Morgen, danach Uni, dann eigentlich der nächste Schritt auf der täglich zu erklimmenden Leiter der Selbstoptimierung. Jedoch: Sie entdeckt einen Flyer der Freitraumgalerie (eine tolle Kunstausstellung, deren Werke Häuserwände in einem Viertel unserer Heimatstadt zieren) und entschließt sich, spontan dort vorbeizuschauen. Auf dem Weg dorthin entdeckt sie einen Flyer für ein Konzert am selben Abend und entschließt, dort vorbeizuschauen…in jeder der Szenen kommt es dann zu einem „Erlebnis“, was die Dinge erwähnt, die uns als „Macher“ antreiben, und die auch für jeden von uns Menschen wahrscheinlich Antrieb und Hirnnahrung sind…der Rest (und die Details und Zwischentöne) sieht man dann hoffentlich in dem Film, den wir immer noch drehen wollen- leider hat sich nur das Filmteam aufgelöst und wir suchen nun krampfhaft nach anderen Optionen der Umsetzung. Wie man eventuell schon erahnen kann, erfinden wir das erzählerische Rad keineswegs neu, das war auch überhaupt nie unser Anspruch, wir folgen schon dem klassischen Akt-Mechanismus des Theaters, inklusive angedeuteter Katharsis am Ende, etwas Klimax und dem ganzen Rest…ganz im Stile des Postrock, wenn man es näher betrachtet. Wir wollen, und das gilt eigentlich generell für NiwoHate und unser Oeuvre als solches, nur unsere Sicht auf die Dinge, die uns inspirieren, positiv wie negativ, erzählen.
Das Album wurde also stets mit den schon passenden Bildern im Kopf zur jeweiligen Szene komponiert, auch bewusst gesetzte musikalische Klammern sind auffind-, beziehungsweise erhörbar, und sollen auch genau da sein - und haben auch etwas zu erzählen. Als wir dann also mit der Musik fertig waren und ein paar Konzerte damit gespielt hatten, das Ganze also auf der Bühne noch etwas aufgegangen ist, entschieden wir, dass es Zeit für die Aufnahme wird: Im Februar 2016 fuhren wir also in die Eiffel, in die Nähe von Köln, um dort bei Mario von den Liquid Aether Studios, der auch schon Gordon’s Tsunami Weeks erste Platte aufgenommen hatte (wie wir lustigerweise aber erst danach erfuhren), das ganze Ding live einzuspielen.
Wir waren schon immer eine Liveband, also im Studio, einfach weil die Musik derart organisch ist und ständig zu atmen scheint, dass sich gewisse Figuren und Takte immer verändern und wir immer wieder neu auf die jeweils Anderen reagieren, dass eine separates Aufnehmen und dann in der Postproduction zusammenlegen für uns schwer vorstellbar ist. Alles wirkt dann ein ganzes Stück mehr…mechanisch und steril. Gesagt, getan; Eine Woche Studio war gebucht, wir waren eingespielt und hatten am Samstagabend alles für die sechsstündige Autofahrt mit Sack und Pack zusammengestellt, so dass wir am Sonntag nur in den Proberaum kommen und alles verstauen müssten, dann konnten wir losknattern. Lumpi kam am Sonntag als erstes im Proberaum an und bemerkte, dass unser Proberaum aufgebrochen und der Großteil der Instrumente gestohlen worden war. Aber natürlich waren nicht nur wir betroffen, nahezu alle Bands in unserem Proberaumkomplex wurden Opfer.
Nach den ganzen Formalitäten wie Polizei, etc., stundenlangen Telefonaten und nachfolgenden Beratungen entschieden wir uns, dennoch loszufahren und das Ding einzuspielen: Freunde von Mario (dem Produzenten), die Band Crownchase aus Belgien, erklärten sich bereit, uns ihr Equipment zu leihen. Vieles konnten wir dann von anderen befreundeten Bands leihen, so dass wir zumindest einen Grundstock unseres Sounds auch im Studio darstellen konnten. Statt also abends gegen 18Uhr in der Eiffel aufzuschlagen und entspannt aufbauen und die Woche beginnen zu können, fuhren wir 21Uhr am Proberaum in der Heimat los und waren morgens um 5 dann endlich vor Ort, vollkommen zerstört und in Gedanken mit einer Dauerkarte ausgestattet auf der „Ach hätten wir doch nur…“-Achterbahn unterwegs.
Pii: Aber wir bereuten den Schritt trotzdem nicht. Den Rest des fehlenden Equipments kauften wir dann nach, es blieb uns ja so oder so nicht viel mehr übrig: mit dem eigentlich Ersparten, um uns in der Woche im Studio eine schöne Zeit neben den Aufnahmen zu machen, fuhren wir in den Music Store in Köln und kauften nach, was wir konnten.
Konrad: Jan und ich waren jeden Tag in Köln bei Music Store, weil irgendwas immer gefehlt oder dann im Studio nicht so geklungen hat, wie wir uns das vorgestellt oder für einen adäquaten Sound gebraucht hätten. Neben den Aufnahmen standen also täglich zwei bis drei Stunden Autofahrt und eine bis zwei Stunden erzwungenes Shopping im Music Store auf dem Programm :-)
Jan: Ich kaufte in der Woche vier verschiedene Gitarren und brachte jede Einzelne wieder zurück, weil es ohne eigenes Effektgear und im Zusammenspiel mit den anderen Jungs einfach nicht nach dem Klang, was ich gesucht und gebraucht hätte. Ein abenteuerlicher Blödsinn. Retrospektiv hören wir das natürlich auf der Platte, jeder musste mit neuen Effekten, neuen Gitarren und Becken spielen, das hätte besser sein können. Andererseits ist es natürlich auch auf Ewig mit „Daily Infinity“ verknüpft, dass wir uns den Widrigkeiten und uns entgegenfliegenden Hassstürme gestellt haben, und wir uns vor dem Resultat dennoch keineswegs verstecken müssen.
Wir arbeiten seit einiger Zeit wieder an einem neuen Konzept
Wie entstehen Eure Songs, schreibt ihr erst die Lyrics und dann die Musik oder Umgekehrt? Jan: Tatsächlich entsteht meistens erst das Konzept, danach widmen wir uns der klassischen Komposition…obschon das eventuell etwas zu elaboriert klingt…wir jammen dann eher auf die Ideen, bis wir das Gefühl haben, dass wir ein Motiv gefunden haben, was wir entsprechend bearbeiten können, und auch auf narrativer Ebene mit dem, was wir spielen, in Einklang bringen können.
Lumpi: Es fühlt sich auch jedes Mal aufs Neue an, als ob man Gold oder Edelsteine schürft: Erst legt man den großen, dreckigen Brocken frei und trägt dann Stück für Stück den Dreck und Ballast ab, feilt an den Ecken herum und bearbeitet immer wieder einzelne Stellen, bis man mit dem Ganzen dann schlussendlich zufrieden ist. Dass sich da eine Wechselwirkung ergibt, ist da ja schon fast selbstverständlich: mal beeinflusst das Stück den Erzählstrang, dann ist es wieder andersherum…alles ist ziemlich dynamisch und keinem festen Korsett unterworfen, das wäre auch zu viel des Guten.
Arbeitet ihr an ein neues Album? Könnt ihr wenn ja etwas darüber verraten? Jan: Ja, wir arbeiten seit einiger Zeit wieder an einem neuen Konzept. Da sich die Arbeiten an dem Film zu „Daily Infinity“ immer noch nicht nach vorn bewegen (es ist einfach von zu vielen anderen Personen abhängig, die man da mit ins Boot holen muss, das klappt halt, getreu den Gesetzen des heiligen Murphy, sehr selten), wollten wir uns wieder neuem Kram widmen. Aus einem Wunsch Konrads, mal ein „Welt-Album“ mit den ganzen unterschiedlichen Einflüssen der Kontinente und meiner Vorliebe für die Werke Kafkas, entstand dann die Grundidee des neuen Albums: grob angelehnt ist das Ganze an Kafkas Erzählung „der Hungerkünstler“, selbstredend mit allerhand Interpretations- und Gestaltungsspielraum für uns. Ziel ist, die typische kafkaeske Grundstimmung, die auch diese Erzählung durchzieht, auf seiner Reise um die Welt, eingepfercht in seinen Käfig und immer weiter hungernd, dabei aber doch immer weiter zu verzweifeln, einfach will ihm niemand zu glauben scheint, dass er tatsächlich hungert, einzufangen und mit den Eindrücken der fremden Welten zu verknüpfen.
Pii: Wir sind aber noch ganz am Anfang, ob sich das auch alles der Idee nach umsetzen lässt, wird sich zeigen.:-) Mittlerweile kennen wir uns und unsere Arbeitsweise auch einfach etwas zu gut, um wie selbstverständlich anzunehmen, dass diese Kreativsuppe auch so heiß gegessen wird, wie wir sie gerade kochen :-)
Die Spitze des Eisberges der Verweigerung
NiwoHate aus Halle (Saale)
Wie seht Ihr die Post- Landschaft in Deutschland? Ist es Eure Meinung nach schwer, sich nicht dem Mainstream zu verschreiben? Pii: Ich persönlich bin unsicher, ob wir uns da wirklich ein Urteil bilden können, so subjektiv es auch sein mag. Wir kennen einfach bisher, trotz der über zehn Jahre Bühnenerfahrung und –präsenz, einfach zu wenige Bands aus Deutschland, die nicht schon so groß sind, dass man quasi gar nicht an ihnen vorbeikommt.
Wir persönlich hatten über die Jahre zumindest das Vergnügen, mit vielen tollen Bands die Brechtschen Bretter, die die Welt bedeuten, teilen zu dürfen, allen voran seien hier mal die Genre-Vettern von Sensifer und APOA genannt. Alles irre sympathische Dudes und Dudettes, mit denen jeder Gig einfach Spaß macht. Wir laden uns so oft es geht gegenseitig auf Konzerte ein und helfen uns wo es geht, ein tolles Gefühl. Auch auf lokaler Ebene organisieren wir selbst seit Beginn der Band Konzerte und laden uns immer wieder auch junge Bands ein, um denen eine Bühne zu geben. Getreu dem Motto: Kommt der Berg nicht zum Propheten, muss der Prophet halt zum Berge kommen, schufen und schaffen wir uns, wo immer möglich, eben selbst die Möglichkeit zu spielen, wenn uns schon keiner buchen will.
Jan: Zur allgemeinen Situation der Postrock-Szene in Deutschland fällt mir noch folgende Anekdote ein: Ich hatte vor circa einem Monat mal wieder ein paar Anfragen an Label verschickt. Wir suchen immer noch nach Supportern für einen Vinylrelease von „Daily Infinity“. Nach den Eskapaden zur Aufnahme und den anschließenden Kosten für Mastering, Pressung und dem neu beschaffen der liebgewonnen Effekte und Instrumente, ist dafür derzeit einfach keine müde Mark übrig. Von einem der großen deutschen Postrocklabel kam tatsächlich auch am nächsten Tag eine Antwort: „Ich will ehrlich sein: vor 10 Jahren hätte mich das komplett umgehauen, heute holt mich das nicht mal mehr hinterm Ofen hervor“.
Das beschreibt unser „Dilemma“ wahrscheinlich auch recht gut…scheinbar machen wir das, was wir machen, nicht soo schlecht, aber halt noch im Stile der „älteren“ Generation des Postrock…was auch immer das en Detail bedeuten mag. Ein Veranstalter sagte letztens, nachdem wir unser Set gespielt hatten, zu uns: „Ihr macht noch so guten, alten Postrock!“…wir sitzen wahrscheinlich einfach zwischen den Stühlen: dem alten, klapprigen Oma-Teil vom Flohmarkt, mit durchgesessenem Polster und quietschenden Federn, aber in seinem ganzen Anachronismus dennoch mit Charme, Charakter, Geschichte und einem gewissen Sitzkomfort beseelt auf der einen und einem Designerstuhl mit glatten Flächen und krass durchkomponierter Gesamtästhetik, ausgerichtet auf das „Gesamterlebnis Zimmer“ und möglichst Präsentabel auf diversen Sozialen Fotonetzwerken auf der anderen Seite…
Manchmal habe ich das Gefühl, dass selbst der aktuelle Postrock, dessen Terminus ja an sich schon für etwas Anderes, bisweilen sogar für das Gegenteil, stehen sollte, sich den Zwängen und Gewohnheiten der Twitter-Generation unterwirft:
Tl;dr - Too long; didn’t read ist für mich der Inbegriff der Oberflächlichkeiten geworden: alles muss in kürzester Zeit konsumierbar sein, bloß nicht zu viele Informationen, die mir eventuell so gar nichts bringen, zeigen wollen. Selbst aus dem bewussten Ausbremsen wird ein Event, weil man dann, ganz achtsam, wie sich das gehört, ins Lifestyle-Kloster im nächsten Ort fährt, um endlich mal abzuschalten.
Natürlich wird auch das dann mit der Peergroup in den „Sozialen Medien“ geteilt, soll ja auch was bringen. Bevor ich mich hier verzettele, noch kurz dazu: das oben beschriebene zeigt eventuell, warum wir wahrscheinlich auch bisher etwas „unerkannt“ unsere Bahnen in der musikalischen Landschaft der Republik ziehen: wir machen uns eher weniger aus den sozialen Netzwerken, zumindest zum Zwecke der Selbstvermarktung, wir sind einfach nicht gut darin, uns ordentlich zu verkaufen.
Aber niemand von uns hat Lust, die fünfzehntausendste Band zu sein, die ihre „Fans“ und „Friends“ darum bittet, doch bei diesem und jenem Konzert/ Contest bitte für ihr Video/ihren Song abzustimmen, so sind wir nicht. Ja, das verbaut uns wahrscheinlich massiv Möglichkeiten, aber es verbaut uns auch noch viel mehr Möglichkeiten, dass wir aus unserem Casanova Konrad nicht noch mehr Kapital schlagen und uns nicht mal auf den Fotos und in Videos zeigen wollen. Das ist also auch nur die Spitze des Eisberges der Verweigerung, den wir immer und immer wieder zu umschiffen versuchen. Und alles andere wäre wahrscheinlich auch mehr oder weniger Verrat an unseren Prinzipien: Es soll um die Musik gehen, um die Idee, die wir erzählen wollen, in all ihren Facetten.
Lumpi: Andere Bands können das gern anders halten, nur weil wir uns da in unserer „Grumpy old men yelling at cloud“-Ecke eingerichtet haben heißt das ja nicht, dass wir andere Bands und Künstler dafür verurteilen, die solche Gelegenheiten gerne wahrnehmen und ihre „Fanbase“ auch immer wieder gern mobilisieren! Es ist nur unsere Art, mit den aktuellen Entwicklungen in Musik und Gesellschaft umzugehen. Wir haben uns entschieden, dass Spiel von „Zeig mir, dass du hübsch bist, dann zeig ich dir, was du für Möglichkeiten haben könntest“ nicht mitzuspielen. Hoffentlich klingt das jetzt nicht zu verbittert :)
Die Mainstream-Frage an sich lässt sich relativ leicht beantworten: Wir haben den „Luxus“, dass wir nicht von der Musik leben müssen, entsprechend frei sind wir natürlich auch, was das Gefallen und Nicht-Gefallen unserer Musik angeht. Wir machen einfach, worauf wir Bock haben, das wird auch gern mal sperrig und nerdig und so detailverloren, dass wir ewig brauchen, um da wieder rauszufinden. Sollten wir irgendwann der Meinung sein, die melancholischen Sujets passen uns nicht mehr, machen wir halt ein Partyalbum, tragen nur noch weiße Klamotten und binden uns rote Seidenschals um die dicken Hüften (;-)), solange wir dies aus eigenem Antrieb und weil wir ALLE gemeinsam Lust darauf haben, tun: so what?
Niemand ist auf der Welt, um so zu sein, wie andere ihn oder sie gerne hätten. Das bringt nirgends Punkte. Nie. Allein schon die Tatsache, dass keiner von uns wirklich auf dem Laufenden ist, was derzeit angesagt ist (sowohl im Mainstream als auch in der Subkultur) lässt wenig Spielraum dafür, dass man sich musikalisch in eine Richtung bewegen könnte, die derzeit angesagt ist.
Jan: Ich glaube aber, dass das doch jeder „konventionell“ gewachsenen Band und Künstler so geht, oder? Man schreibt doch nichts, was einem eventuell Erfolg bringt? Logischerweise beeinflusst das, was man liebt und schätzt, was man selbst wie produziert, komponiert, etc. Aber nur, weil ich einen Hang zu Olafur Arnalds habe, kann ich doch trotzdem Drummer in einer Hardcore-Band sein…dass sich das früher oder später sicher auch auf den Spielstil auswirkt, finde ich mehr als natürlich…und eigentlich auch wunderschön, weil es ja zeigt, was Kunst, nachgerade natürlich Musik, mit uns als Rezipienten anstellen kann.
Wir versuchen einfach weiter, outside the box zu denken
Eure Inspirationsquellen, wenn es darum geht Musik zu erschaffen? Welcher Musiker/Künstler nimmt in Euren Herzen einen ganz besonderen Platz ein und warum? Pii: Sigur Rós, Dredg, Tool, Deftones und Chevelle, also mitunter durchaus eher straighteres Zeug.
Konrad: Porcupine Tree, Tool, System of A Down Die Vielfältigkeit der Spielstile der jeweiligen Drummer beeinflusst und beeindruckt mich seit Jahren immer wieder zutiefst.
Lumpi: Godspeed You! Black Emperor, Explosions in the Sky, Mono, Tool Gerade “Sleep” hat mich durch schwere Zeiten gebracht, und mich nachhaltig geprägt.
Jan: Ich liebe Tool, Sigur Rós und überhaupt diesen ganzen Neoklassik-Krams wie Olafur Arnalds, A Winged Victory For The Sullen, Dustin O‘ Halloran oder Peter Broderick. Gerade mit Letzterem verbindet mich mittlerweile sowas wie ein Freundschaft, seit ich ein Konzert für und mit Ihm veranstaltet habe…ich bin immer wieder zutiefst berührt von dieser fein ziselierten Melancholie, den Momenten zwischen den eigentlichen Tönen, und was sie zu erzählen verstehen. Aber auch Beethovens Symphonien sind großartige und so ungemein vielschichtige Werke, die ich immer wieder kopfschüttelnd und fassungslos genießen kann.
Generell bin ich ein Freund des Melancholischen, kann man denk ich so sagen. Andererseits liebe ich aber auch Meshuggah für ihren kompromisslosen Stil und die Art und Weise, wie sie früher eine schweinegeile „Leck mich!“- Attitüde auf CD oder Platte pressen konnten. Vor dieser Chuzpe und dem, was sie dann aufs Material gebracht haben, muss ich einfach Respekt haben. Und zum Abreagieren gibt’s nix besseres.
Allgemein kann man aber mit Nick Hornby sagen: uns inspiriert „alles, was wichtig ist: Bücher, Filme, Musik“. War einer von uns im Theater und sah da etwas bei der Aufführung, was wir adaptieren können, wird das besprochen. Das Selbe gilt für Kino oder anderweitig erlebtes. Uns fasziniert einfach, wenn Künstler, egal welcher „Disziplin“ versuchen, sich auch auf einer Metaebene mit dem Sujet auseinanderzusetzen und es schaffen, ein Gefühl im Betrachter zu evozieren. Das kann vom Bildhauer, über eine Fotografin bis hin zu Komponisten und Regisseuren von Neuer Musik und deren einzigartigem Produktions- und Rezeptionsverständnis reichen…solange es etwas auslöst, ist es eine nähere Betrachtung wert.
Eure Ziele als Formation? ALLE: Auf jeden Fall noch mindestens 10 Kilo abnehmen, für die Bikinifigur ^^ Ansonsten: weiter wie bisher angehen und umsetzen, worauf wir Lust haben. Wir planen seit Jahren, eins unserer Konzepte ins Theater zu bringen, waren auch fast schon so weit, als sich unser Kontakt dann leider in die Hauptstadt absetzte. Wir versuchen einfach weiter, outside the box zu denken und es dann inside the box (also mit unseren begrenzten handwerklichen Mitteln) so umzusetzen, dass wir damit zufrieden sind und auch die Details stimmen. Außerdem wäre es toll, wenn wir die Erlaubnis bekämen, ein Videospiel zu vertonen…gerade uns dreien (Lumpi, Pii, Jan) juckt es in den Fingern, solche Klassiker wie „Shadow of the Colossus“ oder „Limbo“ neu zu interpretieren und die Bilder mit einer neuen Klangfarbe und –struktur entsprechend anders erzählen zu lassen. Bisher haben wir aber nur Absagen auf unsere entsprechenden Anfragen kassiert…deshalb überlegen wir, ob wir nicht mal ein eigenes kleines Spiel entwickeln und das entsprechend vertonen. Kooperationspartner sind übrigens immer gern gesehen, wir freuen uns immer über neuen Input und man- bzw. woman-power!
Bezogen auf die näheren Entwicklung der Band lässt sich sagen: Wir stehen vor einer relativ großen Herausforderung: Konrad wird im Oktober sein Schlagzeugstudium in Würzburg beginnen, so dass wir uns auch erst einmal umstellen müssen: da wir bisher immer alles im Kollektiv erspielt haben, was wir entwickeln wollten, kommt dahingehend eventuell eine neue Herausforderung auf uns zu und wir müssen beginnen, uns mit Emails und Cloud-Musiken auf dem jeweils neuesten Stand zu halten. Aber selbst solche Sachen kann man super aufarbeiten und entsprechend verbauen. Die Ideen kommen uns, wenn es soweit ist. Auf jeden Fall wären mehr Konzerte toll, daran arbeiten wir auch mit unserem Booker Paul, der sich schon Arme, Beine und Haare ausreißt, um uns irgendwo unterzubringen, es bleibt auf jeden Fall spannend, und wir freuen uns auf die nächsten Herausforderungen :-)