Musik braucht nicht viel, um tief in das eigene Herz zu reichen. Eine sphärische Stimme, akustische Begleitung und vor allem tiefe Gefühle. Der Musikbereich der Singer/Songwriter ist dazu prädestiniert, unter ihnen gesellt sich auch Luise Weidehaas, die ihre Texte auf deutsch vorträgt. Letztes Jahr erschien ihr Album „Shore“ das ziemlich viel Aufmerksamkeit mit sich brachte. In einem Interview stellt sich die sympathische Dame und ihr letztes Werk etwas näher vor.
Luise Weidehaas (Foto:Tim Ilskens Photography)
Hallo Luise, wie geht es Dir gerade? Hallo André, hab´ vielen Dank für Deine Einladung zu diesem Gespräch! Mir geht es ziemlich gut, gerade ein wenig Fernweh vielleicht, aber wenn die Luft klar und frisch ist, so wie im Moment, kann ich es noch eine Weile verschmerzen, nicht sofort wieder hinaus in die Welt zu dürfen.
Erzähle ein wenig über Deine musikalische Vergangenheit. Wie bist Du zur Musik gekommen? Musik hatte und hat noch immer bei meiner Familie einen hohen Stellenwert. Meine Oma war ausgebildete Sängerin. Ich habe dann irgendwann erste Solos in der Schule gesungen, im Uni-Chor, hin und wieder in unterschiedlichen Bands; ich war dennoch lange Zeit ein weitaus engagierterer Rezipient als Akteur. Durch meine Musiker-Freunde und das dauernde Beschäftigen mit Musik, war der Weg auf die Bühne letztlich nur noch ein kleiner, dennoch entscheidender Schritt.
Wann und wie hast Du dann das Genre der Singer/Songwriter für Dich entdeckt? Mich fasziniert, wenn ein Song schon oder vor allem akustisch funktioniert, Harmonien sofort etwas auslösen, ein verstecktes Vibrato einen rührt, dann braucht es nichts sonst, fürs erste.
Kannst Du dich an das erste Mal erinnern, als Du ein Lied geschrieben hast? Beschreibe es doch ein wenig. Alles begann mit Gedichten, sie zum Klingen zu bringen, daran habe ich jedoch erst gar nicht gedacht. Eins der ersten Lieder entstand vor vielen Jahren, bei einem längeren Aufenthalt in St. Louis, noch auf Englisch. Später habe ich ein Semester in Kanada studiert, habe viele Konzerte besucht, war recht viel allein unterwegs und begann vermehrt deutsche Lied-Texte zu schreiben. Bei „Prag“ zum Beispiel hatte ich eines Abends eine Situation erinnert und rückblickend in einem Rutsch den Text geschrieben, so entstehen eigentlich die meisten meiner Lieder, in einem Guss, ohne viel Korrektur im Nachhinein.
Wer hat Dir dann die Unterstützung gegeben, um weiterschreiben zu können? Für wen hast du die frühen Songs gespielt? Mein erstes Publikum als Kind war das Meer, ich stand oft völlig selbstvergessen auf irgendwelchen Felsen rum und hab´ gesungen, interessanterweise nicht mal laut, sondern innerlich in einem Tagtraumartigen Zustand. Mein erster wirklicher Hörer war dann ein enger Freund, in seinem Wohnzimmer fand auch das erste kleine Konzert vor einem kleinen Bekanntenkreis statt. Meine Freunde und meine Eltern haben mich immer ermutigt, fortwährend unterstützt und inspiriert.
Ich empfinde es manchmal als unangenehm, ohne Sprachfilter zu singen
Das Album SHORE erschien letztes Jahr auch auf CD & Vinyl.
Letztes Jahr erschien das aktuelle Album „SHORE“. Es bekam sehr gute Kritiken und findet sich aktuell noch in vielen prominenten Playlisten. Welche Gedanken gehen Dir durch den Kopf, wenn Du das mitbekommst? Ich bin einfach wahnsinnig glücklich und erleichtert über all die wunderbaren Rückmeldungen und Beiträge. Ich habe mir vorab kaum Gedanken darüber gemacht wie andere mein Album finden könnten, hatte keine Erwartungen, wollte ihr aber zugleich alle mir möglichen Chancen geben gehört zu werden. Was ich dann zu lesen und hören bekam wird mich lange bestärken immer weiter Lieder zu schreiben.
Lass uns über das Album sprechen. Erzähle etwas über die Entstehung. Was sind Deine Inspirationsquellen? Wie war die Arbeit im Studio? Es ist ähnlich wie beim Photographieren, nur in der Ferne photographiere ich, hauptsächlich auf Reisen schreibe ich Lieder, die meisten Texte sind also unterwegs entstanden. Mich inspirieren neue Landschaften, Gerüche und Farben, und neben all der reinen Naturbeschreibung weben sich immer wieder Begegnungen mit ein, egal wie lang sie zurückliegen. Das Schöne am Lieder schreiben ist ja auch, dass man diese jederzeit wiederaufleben lassen kann, auch eine Form von Freiheit. Die Zeit im Studio mit David Schütte und Felix Herzog war überaus harmonisch. Mit dem Cellisten David Schütte, meinem Produzenten und Multiinstrumentalisten von „Shore“, und dem Ton-Ing. Felix Herzog, hatte ich auch schon meine EP „Swell“ aufgenommen. David hat meist recht intuitiv zu Instrumenten gegriffen, nachdem wir meine Gitarre und Gesang aufgenommen hatten und ein Arrangement dazu entworfen, zudem hatten wir befreundete Musiker im Studio die auch Instrumente und Chöre beisteuerten. Es sollte voller instrumentiert werden, weniger karg, dennoch erdig und schwebend. David hat genau begriffen wie die Lieder gedacht sind, wie sie klingen sollten, noch ehe ich es selbst hätte formulieren können.
Das Album beinhaltet insgesamt 10 Stücke voller fragiler Schönheit und Melancholie. Gibt es ein – zwei besondere Stücke, die Dir sehr am Herzen liegen? Ich mag besonders die Instrumentierung von „Fischerkörbe“, den Klang der Charango und der luftig zarte Chor. Im dazugehörigen Video sind mein Uropa, meine Großeltern, meine Mama und Tante zu sehen, obwohl der Text dazu in Vietnam entstand und diese Umgebung beschreibt, finden diese Welten wunderbar zueinander, über allem schwebt das Fernweh.
Du singst in deutscher Sprache, was eigentlich ungewöhnlich ist. Wie kam es zu diesem Schluss? Ist es dir wichtig, dass jeder Hörer deine Texte verstehen kann? Ich empfinde es manchmal sogar eher als unangenehm ohne Sprachfilter zu singen und tue dies auch nur, weil ich mich wesentlich schlechter in anderen Sprachen ausdrücken kann und dies meinem Anspruch an Liedtexte nicht genügt. Weil sich das Englische etwas leichter und angenehmer singen lässt und ich auch fast ausschließlich englischsprachige Musik höre, hab ich mir das Deutsche so smooth wie möglich singbar gemacht.
Einer meine Favoriten ist Helsinki. Auch weil ich im Inneren sehr mit Skandinavien verbunden bin. Erzähle ein wenig über diesen Song? Oh wie schön, danke. „Helsinki“ ist textlich jedoch eher ein Konglomerat aus verschiedenen Begebenheiten und es ist sogar eines der wenigen Lieder die ich Zuhause, am Rhein geschrieben habe. Ich war vor ewiger Zeit mal länger in Helsinki, aber bei dem Stück dient es hauptsächlich als Namensgeber.
Wenn du Live spielst, hast du zwei Gastmusiker, die dich begleiten. Kannst du die zwei Herren etwas näher hier vorstellen? Mit dem Bassisten und Gitarristen Guido Sprenger spiele ich nun schon seit drei Jahren gemeinsame Konzerte und auch den Cellisten David Schütte kenne ich schon seit unserer ersten Zusammenarbeit an meiner EP vor sechs Jahren. Es ist ein unglaubliches Glück auf Menschen zu treffen mit denen man so einvernehmend Musik machen kann und die zudem noch zu guten Freunden geworden sind.
Hast du schon Pläne für ein neues Album? Kannst du vielleicht schon ein paar Details verraten? Die viel beschworene „freie“ Zeit im letzten Jahr bis heute hat mich kreativ nicht sehr beflügelt, aber sobald ich wieder einen Blick aufs Meer werfen darf, vertraue ich auf Inspiration und Muße, und vielleicht tut es ja auch der Rhein. Im noch Verborgenen arbeite ich seit Ende letzten Jahres mit zwei Freunden noch an verschiedenen Projekten…
Kultur im Allgemeinen ist für viele Menschen ein Lebenselixier
Luise Weidehaas (Foto: Tim Ilskens Photography)
Was bedeutet es für dich, ab 2020 nicht mehr Live spielen zu können? Wie siehst du die Musik und Kunst Allgemein in Zeiten von Corona und Lockdown- Debatten? Kultur wird nicht selten, auch schon vor Corona, als ´nice to have´ verstanden, man schmückt sich damit, wenn es funktioniert und Resonanz findet, lässt sie aber verdürren wenn es nicht gleich gewinnbringend erscheint. Alle Konzert-Veranstaltungen die ich im letzten Jahr besucht habe, wurden sehr akribisch der neuen Situation angepasst. Es wurden immer wieder neue Orte zu Locations umgestaltet und somit neue Möglichkeiten ausgelotet, es war toll dabei sein zu dürfen, beispielsweise in Oberhausen, Wattenscheid und Münster. Kultur im Allgemeinen ist für viele Menschen ein Lebenselixier, eines das letztlich gerettet werden muss. Ich hoffe einfach darauf, dass das Live-Erlebnis bald wieder möglich sein wird.
Welche Musik bzw. Künstler/Bands hört Luise ganz persönlich sehr gerne? Sehr prägend waren und sind für mich Künstler*Innen wie Cat Stevens, Radiohead, Tracy Chapman, Arthur Russel, James Blake, Sigur Rós, Coco Rosie, Sufjan Stevens, Chris Garneau, Bon Iver, Kat Frankie, Ben Howard und etliche mehr...
Was würdest Du jungen Leuten raten, die talentiert sind und gerne Musik komponieren, es aber nicht wagen ihre Musik zu veröffentlichen, weil sie denken, sie wären zu schlecht oder es hört eh keiner zu? Das würde ich natürlich auch älteren Menschen raten die gerne ihre Kunst veröffentlichen würden, man wird ja mit den Jahren nicht unbedingt abgehärteter gegenüber der Welt und ihren Urteilen. Den unsicheren Haderern würde ich raten auf ihren inneren Kompass zu schauen, wenn es einen drängt nach außen zu gehen, sollte man sich nicht künstlich klein halten und den Mut frühzeitig verlieren. Keine Erwartungen zu haben, erlaubt einem einen relativ freien und unverfälschten Blick auf seine Kunst, und wie in allen Lebenssituationen, vertraue auf den Rat deiner engsten Freunde/Familie und Dir selbst.
Danke für deine Zeit, werte Luise. Die letzten Worte gehören Dir: Oha, na gut, dann nutze ich diesen Rahmen um mich für all die Worte zu bedanken, die ich je über meine Musik gelesen oder gehört habe, darüber war und bin ich oftmals sprachlos, im positivsten Sinne. Danke!
Und danke lieber André für Deine Zeit und Deine Offenheit und Dein Engagement auch unbekannten Künstlern eine Plattform zu schenken und letztlich die Möglichkeit zu diesem spannenden Interview! Danke!