Mit dem aktuellen Album „Rescue Me“ hat der Velberter Musiker Jan-Dirk Platek für sich persönlich, aber auch dem Musikbereich der Neoklassik ein kleines Denkmal gesetzt. Zitat aus der Review: “Rescue Me lebt von seinen Wechseln aus neoklassischer Romantik und verträumten Klanglandschaften. Es ist eine faszinierende Mischung, die das Werk bis dato über alles stellt aus der Feder von Jan-Dirk Platek.“ Drei Jahre ist es nun her, dass Gezeitenstrom Musikmagazin mit dem Komponisten ein Interview geführt hat. Sicher hat sich in der Zeit vieles verändert. Fragen wir doch mal bei Jan-Dirk nach, was aktuell dem Musiker bewegt und wie er sein aktuelles Album selbst einschätzt.
Jan-Dirk Platek 2019 (Foto: Karoline Platek)
Hallo Jan-Dirk und es freut mich, das du Zeit hast. Wie geht es Dir gerade? Mir geht es sehr gut. Mich freut es, dass Gezeitenstrom nochmals eine Interviewanfrage geschickt hat. Ich muss nämlich zugeben, dass ich sehr häufig Alben oder EP`s aufgrund Deiner Empfehlungen kaufe. Gezeitenstrom mag ich sehr. (Anm. wow Danke!)
Rescue Me ist dein aktuelles Album. Wie sind bis dato die Reaktionen auf den Werk? Die Reaktionen sind sehr, sehr positiv. Viele Menschen empfinden es als mein bestes Album. Warum das so ist, kann ich nur vermuten. Es ist halt das erste Jan-Dirk Platek Album mit Gastmusikern. Das bringt eine neue Dynamik. Ich persönlich kann die Qualität meiner eigenen Kompositionen nie wirklich einschätzen. Wenn meine Frau aber sagt, dass ein Song gut gelungen ist, vertraue ich ihr absolut.
Du bringst fast monatlich neue Komposition heraus. Mal ehrlich, wo nimmst du all die Zeit und vor allem die Inspiration her? Die Zeit nehme ich mir einfach. Ich habe eine Frau, 2 Kinder und einen Vollzeitjob - da ist das musizieren fast wie ein Kurzurlaub. Den gönne ich mir sofern es zeitlich passt. Ich danke meiner Familie, dass sie mir diese Zeit zum musizieren schenkt. Das ist wirklich nicht einfach. Bei mir kommen Ideen spontan und aus dem Nichts - dann neige ich dazu, sofort an das Piano zu gehen und zu experimentieren. Meine Familie akzeptiert zum Glück mein Verhalten. Musik machen ist für mich fast schon zwanghaft. Ich kann einfach nicht anders. Das Schöne ist aber, dass meine Kinder es ja nicht anders kennen. Sie haben halt einen Vater, der viel und gerne musiziert. Bei uns zuhause läuft auch immer Musik. Meine Frau hört viel Jazz, meine große Tochter die aktuellen Charts und meine kleine Tochter hört seit Tagen die neue Sarah Hübers CD. Diese unterschiedlichen Musikstile würde ich für mich durchaus als Inspiration sehen - auch wenn man es nicht unbedingt hört.
"Ich möchte unbedingt wieder mit anderen Künstlern zusammenarbeiten"
Das aktuelle Album "Rescue Me"
Auf Rescue Me hast du mit Musikern zusammengearbeitet. Wie kam es zu diesem Schritt? Ich wollte Moderne Klassik mit Ambient / Post-Rock Elementen kreuzen. Dabei war es mir wichtig, den Synthesizer außen vor zu lassen. Ich wollte Gitarrenklänge hören. Also schnappte ich mir meine Gitarre und fing an, zu meinen bereits aufgenommenen Piano Tracks zu spielen. Schnell merkte ich, dass meine Fähigkeiten an der Gitarre zu limitiert sind. Es klang irgendwie zu sehr nach mir und das wollte ich nicht. Also kam mir die Idee, bei Facebook nach Gitarristen zu suchen. Ich habe schließlich viele Musiker in meiner Freundesliste. Die Resonanz war umwerfend und schnell hatte ich Zusagen für eine Kooperation. Ich bin den beteiligten Künstlern (nthirteen, Heft, Sam D. Durango von Rage of Samedy, und Dan Peters) unendlich dankbar für ihre unglaublich schnelle und professionelle Umsetzung. Es gab ja bis auf das Wort „soundscapes“ keine weiteren Vorgaben. Die Künstler konnten sich auf meinen Piano Songs austoben. Das Ergebnis ist für mich umwerfend und eine Bereicherung. Die beteiligten Künstler haben meine Arbeit auf ein neues, höheres Level gehoben. Dafür bin ich sehr dankbar.
Könntest du dir vorstellen, öfters mit anderen Musikern zusammenzuarbeiten? Oder bleibt es eine Ausnahme? Ich möchte unbedingt wieder mit anderen Künstlern zusammenarbeiten. Gerade die Kombination aus Piano und Gitarre hat mir die Augen geöffnet. Da gibt es so viele Möglichkeiten Atmosphäre zu schaffen. Vielleicht frage ich mal Michael Bufe ob er sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnte. Mit ihm habe ich 2015 die EP „Propaganda“ (We Deserve This) aufgenommen. Die EP höre ich heute immer noch sehr gerne - leider haben wir uns etwas aus den Augen verloren.
Deine Alben-Titel haben oft einen Grund, oder möchten eine Aussage treffen. Vor was oder wem sollte man denn gerettet werden? Der Grund des Albumtitels „Rescue Me“ ist leider völlig unspektakulär. Ich durfte das Bild vom schwedischen Künstler Tomas Jönsson als Artwork benutzen. Dieses Bild trägt den Titel „Rescue Me“. Ich fand es so nett, dass er mir sein Kunstwerk zur Verfügung stellte. Da war für mich sofort klar, dass das Album wie das Artwork heißen muss.
Man merkt, das Genre der modernen Klassik fasziniert dich immer mehr. Warum ist das so? Gute Frage. Vermutlich weil es Ruhe und Geborgenheit vermittelt. Der Wunsch nach Ruhe wächst in mir mit steigendem Alter. Ich werde im Oktober 43 Jahre - da ist es vermutlich an der Zeit für ruhige Musik.
Unser letztes Gespräch ist drei Jahre her, was hat sich in dieser Zeit musikalisch für Dich geändert? In wie weit ist dein Musikverständnis nun gesteigert? Ob sich mein Musikverständnis gesteigert hat müssen andere beurteilen. Ich lebe immer noch nach den gleichen musikalischen Prinzipien wie vor 3 Jahren. Das glaube ich zumindest. Meine musikalischen Einflüsse haben sich aber in den letzten 3 Jahren etwas geändert. Ich habe das Gefühl, ich bin offener für Musik geworden. Ich singe die Lieblingssongs meiner Kinder beim Staubsaugen und habe mir sogar das neue Rammstein Album gekauft (wäre früher undenkbar für mich gewesen). Also um auf die Frage zurückzukommen. Musikalisch gesehen bin ich offener geworden.
Ich mag es „live“ aufzutreten, da es immer wieder eine Herausforderung ist
Deine Musik wird nun in einigen Radiostationen gespielt (BBC) Was fühlt man da? Wie stolz ist man als ein Jan-Dirk Platek wenn man weiß, die Welt hört meine Musik? Stephen McCauley vom BBC Radio kaufte letztes Jahr plötzlich meine Musik und begann sie in seiner Radioshow „Soundscapes“ zu spielen. Damals war ich wirklich vollkommen überrascht und konnte es nicht fassen. Inzwischen ist Stephen McCauley ein Fan meiner Musik und ich danke ihm dafür, dass er mir so eine Unterstützung zukommen lässt. Es macht mich unglaublich stolz relativ regelmäßig im BBC Radio zu laufen. Aber auch Alex Ruder von KEXP aus Seattle, USA hat kürzlich einen Song von meinem neuen Album gespielt. Das ist wirklich überwältigend und macht mich glücklich.
Du bist bekannt eigentlich, immer mit der Musik zu experimentieren, ihre Akustik zu formen. Hast du schon neue Ideen für neue Werke? Ja habe ich.
Deine Tochter interessiert sich ebenfalls schon für das Klavier. Wie gehst du damit um? Wie fühlt man sich da? Stolz oder will man das einfach nur fördern? Meine Tochter spielt regelmäßig auf meinem Piano aber sie schnappt sich jetzt auch immer häufiger eine Gitarre aus meiner Sammlung. Sie mag es auch zu experimentieren. Sie soll aber selber entscheiden, ob sie ein Instrument richtig lernen will (und nicht nur autodidaktisch wie ich). Ich möchte sie zu nichts drängen. Kreativität kann man sowieso nicht lernen.
Wenn du eines Tages entscheiden müsstest - We Deserve This oder Jan-Dirk Platek, die neoklassische Art, mal Hand auf das Herz, was würdest du opfern? Und warum? Ich würde We Deserve This „opfern“. We Deserve This ist in den Köpfen der Hörer immer noch Post-Rock…. Nur bin ich leider nicht mehr Post-Rock. Das Genre hat sich zu oft selbst zitiert und damit leider mein Interesse verloren.
Du hast erst neulich live gespielt. Wie war die Erfahrung für dich? Ich habe in meinem Leben schon mit so einigen unterschiedlichen Bands auf der Bühne gestanden. Aber der letzte Auftritt war lustig und schön. Ich mag es „live“ aufzutreten, da es immer wieder eine Herausforderung ist. Anfang 2020 werde ich ein Konzert mit Tom Blankenberg in Heiligenhaus im Club spielen. Darauf freue ich mich jetzt schon ganz besonders.
Ich frage gerne Musiker, wie sie die Musiklandschaft hier in Deutschland finden. Was ist positiv und wo gibt es deiner Meinung nach Nachholbedarf? Die Musiklandschaft in Deutschland ist meiner Meinung nach gut gerüstet für die Zukunft. Alleine der Nachwuchs in meiner Heimatstadt…. Hier gibt es etliche junge Rockbands wie z.B. Social Breakdown, die ein unglaublich hohes musikalisches Niveau haben. Aber auch die junge Sarah Hübers aus Bochholt gibt mir mit ihrem deutschsprachigem Alternative Rock Hoffnung für die musikalische Zukunft Deutschlands (beide erwähnten Künstler bitte unbedingt anhören). Auch der Modern Classic Bereich ist mit CEEYS, Clemens Christian Poetzsch, Niklas Paschburg, Nils Frahm und Lisa Morgenstern auch international unglaublich gut aufgestellt. Ich mag die Musiklandschaft in Deutschland sehr.
Was kann man von dir in naher Zukunft erwarten? Musik.
Wie gewohnt, die letzten Worte gehören Dir. Ich danke den Augen, die mein Interview bis hierhin gelesen haben und natürlich Gezeitenstrom für das Interview und die jahrelange Unterstützung. (Anm. Nichts zu Danken Jan-Dirk)