Das Neoklassische Projekt Freigefyhl von Sebastian existiert nahezu 15 Jahre schon. Doch es war an der Zeit, sich weiterzuentwickeln, um neue Wege in der Musik und der Kunst der Komposition zu finden. Daher hat sich Freigefyhl in die Lehre vom renommierten Musiker Martin Herzberg begeben. In einem Interview mit dem Musikmagazin erzählt der Musiker vom Prozess, seine Arbeit und warum er auf Twitch zu finden ist.
Fast 15 Jahre existiert Freigefyhl mit Sebastian (Foto: Denis Walter)
Hallo Sebastian, wie geht es Dir gerade? Hi André, mir geht es sehr gut. Ich hatte am letzten Wochenende einen richtigen Gig mit Publikum, das erste Mal seit Beginn der Pandemie – abgesehen von einem Konzert auf meinem Balkon mit ein paar Nachbarn als Zuschauer
Erzähle ein wenig über Deine musikalische Vergangenheit. Wie bist Du zur Musik gekommen? Alles fing damit an, dass meine Oma ein antikes Klavier in ihrer Wohnung hatte, eigentlich eher für Dekorationszwecke gedacht. Ich habe mich mit 5 Jahren dran gesetzt und mir in Kürze selbst Melodien nach Gehör beigebracht. Das allererste Stück war „Morgen kommt der Weihnachtsmann“. Meine Oma war so beeindruckt, dass sie mit meiner Mutter gesprochen hat und ich Klavierunterricht nehmen durfte. Meine erste Klavierlehrerin hat bei mir besonders das Spielen nach Gehör gefördert.
War dir früher schon bewusst, dass die klassische Musik deine akustische Heimat wird? In meiner Jugend habe ich viele klassische Stücke gespielt. Je älter ich wurde, desto mehr habe ich mich eher modernen Stücken aus Filmmusik und Pop gewidmet. Im Spannungsfeld zwischen Filmmusik/Pop und Klassik steht die Neoklassik, der ich mich verschrieben habe. Mich haben schon immer besonders eingängige, einfache Melodien beeindruckt, die in einer Vielzahl von Menschen Emotionen auslösen.
Kannst Du dich an das erste Mal erinnern, als Du ein Lied geschrieben hast? Beschreibe es doch ein wenig. Ich war 17 Jahre alt und habe eigentlich gerade langweilige Fingerübungen für den Klavierunterricht trainiert. Durch einen Verspieler hatte ich auf einmal eine Melodie gespielt, die ich richtig schön fand. Im Laufe der nächsten Wochen habe ich versucht diese Melodie weiterzuentwickeln und eine Begleitung dazu zu finden. Es war Sommer und ich habe viel draußen nach Inspirationen gesucht, den Song weiterzuentwickeln. So entstand meine allererste Komposition „Summer Rain“
Bevor Wir zur Musik kommen, 2020 ist sicher auch nicht ganz spurlos an Dir vorbeigegangen. Wie hast du die Zeit erlebt, in der wir heute ja noch immer sind? Die Pandemie war denke ich für uns alle ein einschneidendes Erlebnis und ich hatte besonders am Anfang mit Ängsten zu kämpfen. Diese konnte ich aber nach und nach in Hoffnungen umwandeln, indem ich Chancen genutzt habe: Etwa die Möglichkeit von Onlinekonzerten, die sich auch durch die vorangetriebene Digitalisierung immer größerer Beliebtheit erfreuen.
Dein Musikprojekt Freigefyhl ist nun fast 15 Jahre alt. Laut deiner Bio hast du es gegründet, um von Liebeskummer abzulenken. Wie kam es dazu und hat es geholfen? Nachdem meine erste Beziehung auseinanderging hatte ich zum Glück bereits wieder mit dem Klavier spielen weiter gemacht (nach einer kurzen Pause während der Pubertät). Somit konnte ich die intensiven Gefühlen in meine Kompositionen transportieren und mich ablenken. Da diese Emotionalität auch in meinen folgenden Kompositionen einen Platz gefunden habe, bin ich irgendwann auf die Idee für den Künstlernamen gekommen. Ein zweideutiges Kunstwort, welches einerseits das „Gefühl der Freiheit“ und andererseits die „Freiheit der Gefühle“ in sich trägt.
Martin hat mich vor allem durch seine Ehrlichkeit voran gebracht
Die Veränderung im Stil ist mit der aktuellen Single deutlich hörbar.
15 Jahre ist eine lange Zeit, es hat eine Veränderung gebraucht. Was war der Punkt, um zu sagen, dass du dich neu erfinden musst? Ich habe schon lange den Wunsch gehegt, mich und meine Musik professioneller aufzustellen und mit dem Zeitgeist zu gehen. Was mir fehlte war jemand, der mich an die Hand nimmt. Als freischaffender Musiker ist es manchmal gar nicht so leicht alles selbst zu stemmen und dabei auch noch ständig motiviert zu sein.
Du bist in die Lehre von Martin Herzberg, einem sehr renommierten deutschen Komponisten. Hast du ihn sofort im Kopf gehabt? Die Musik von Martin Herzberg begleitet mich schon viele Jahre. Ich habe seine Entwicklung mitverfolgt und irgendwann auf einen Aufruf seinerseits Kontakt aufgenommen. Er hat Talente für ein Coaching gesucht und so habe ich mich beworben und einen Platz erhalten.
Wie genau hat Martin Herzberg dein Musikverständnis erweitert oder neue Facetten spendiert? Martin hat mich vor allem durch seine Ehrlichkeit voran gebracht. Er hat klar benannt was ich gut mache und was ich verbessern muss, um professioneller zu werden. Er hat mich außerdem bestärkt darin, möglichst einfache und eingängige Melodien zu komponieren, die die Menschen in ihrem Alltag „benutzen“ können, wie er es genannt hat. Sei es zur Entspannung, beim Aufräumen oder zum Lernen. Instrumentale Musik wird von den meisten Menschen passiv und nicht aktiv gehört. In meinen Anfängen habe ich immer versucht, meine Kompositionen nicht zu einfach oder repetitiv werden zu lassen. Heute versuche ich meine Kompositionen so eingängig und unkompliziert wie möglich zu gestalten, ohne dass es langweilig wird. Das ist die Herausforderung.
Dein neuer Stil, den du auf „Vivid Memory“ zelebrierst, ist sehr viel emotionaler und tiefgründiger. Wie ist die neue Erfahrung für Dich, auf eine völlig neue Ebene zu arbeiten? Hat man da auch gewisse Ängste? In der Tat war es für mich anfangs gewöhnungsbedürftig ein gesamtes Stück sehr sanft zu konzipieren und zu spielen. Ich bin es gewohnt Stücken eine große dynamische Vielfalt zu geben und alles von sehr leisen bis hin zu sehr lauten Parts zu bieten. Dies mache ich auch weiterhin bei Live-Konzerten, bei denen Menschen aktiv der Musik zugeneigt sind. Für das „passive“ Hören von dem ich vorhin gesprochen habe, ist es jedoch besser das Lautstärkelevel einigermaßen eng zu halten, damit die Musik sich wirklich als Hintergrundmusik eignet, ohne die Hörer in ihrem Fluss zu stören
Das Klavier ist sicher auch für Dich ein enger Begleiter im Leben. Was hat das Instrument, was andere etwas vermissen lassen deiner Meinung nach? Das Schöne am Klavier ist für mich ist die Vielfältigkeit. Es gibt hohe und tiefe Töne von denen sich viele gleichzeitig spielen lassen. Ich kann es leise und laut, sanft und hart spielen. Und es fühlt sich für mich natürlich an, weil ich damit aufgewachsen bin.
Du hast einen eigenen Twitch Kanal, was für einen Komponisten ungewöhnlich ist. Was bedeutet es Dir, live mit deiner Community zu interagieren? Mit Beginn der Pandemie ist Twitch in mein Leben gekommen. Ich wollte eigentlich nur „ein“ Online-Konzert für meine Familie und Freunde geben, da ich sie aufgrund der Situation länger nicht sehen konnte. Die Woche darauf kam aufgrund der großen Nachfrage ein zweites und irgendwie fand ich es spannend, dass einfach „fremde“ Menschen dazukamen, um sich das Konzert anzuhören und sich auch im Live-Chat beteiligten. Seitdem ist keine Woche ohne Onlinekonzert vergangen und meine Community auf Twitch ist stetig gewachsen. Ich finde die Interaktion während der Konzerte einfach großartig und trotz der eigentlichen Distanz viel intimer als auf einem richtigen Konzert. Neben Applaus erhalte ich direktes Feedback, viele Fragen, mehr Anteilnahme an den Songs und einige Spenden. Daher möchte ich diese Online-Variante des Auftretens nicht mehr missen, auch wenn ich natürlich nach wie vor einen Reiz in richtigen Konzerten vor einem sichtbaren Publikum sehe.
Aktuell arbeite ich an meiner zweiten Single für mein kommendes Album
Sebastian alias Freigefyhl (Foto: Denis Walter)
Würdest du dir wünschen, dass Musik in Livestreams, wie auf Twitch, mehr an Bedeutung gewinnen sollten? Ich denke die Livestreams haben seit der Pandemie deutlich an Bedeutung gewonnen, was gut ist. Ich finde es aber auch gut, dass Plattformen wie Twitch (noch) nicht so überlaufen sind wie andere. Hier habe ich die Chance auch als kleiner Musiker aufzufallen und nicht in der Masse unterzugehen.
Welche Pläne hast du für die nahe Zukunft? Ist ein neues Album von Dir geplant? Aktuell arbeite ich an meiner zweiten Single für mein kommendes Album „Freigefühl“. Das Album habe ich für das kommende Jahr geplant. Bis dahin möchte ich mehrere Songs davon bereits als Single veröffentlicht haben. Außerdem arbeite ich aktuell mit dem Musiker „Artem Lauk“ an einer Collaboration, da gibt es also bald etwas spannendes Neues zu hören.
Was macht ein Herr Freigefyhl, wenn er nicht am Klavier sitzt oder im Studio anzutreffen ist? Wenn ich nicht gerade Musik mache schaue ich gerne Filme und Serien, gehe spazieren, schwimmen, gelegentlich spiele ich gerne Videospiele oder Gesellschaftsspiele und natürlich höre ich auch viel Musik.
Was genau kann die Presse, Redakteure oder Journalisten tun, um klassische bzw. deine Musik populärer zu machen? Wenn darüber geschrieben wird ist das natürlich super.
Verfolgst du die Veröffentlichung deiner Kollegen? Welches Album hat dich zuletzt sehr beeindruckt? Auf jeden Fall. Ich höre selbst auch viel neoklassische Musik. Das Album „Stars“ von Martin Herzberg hat mich aufgrund des schönen Sounds sehr beeindruckt, weshalb ich den Kontakt zu ihm gesucht habe, woraus dann das Coaching entstanden ist.
Eine Frage, die ich immer im Musikbereich der klassischen Musik stelle ist - wie wird sich deiner Meinung nach diese entwickeln? Mehr moderne Ansätze oder zurück zu den Wurzeln? Persönlich denke ich, dass die Neoklassik weiterhin von aktuellen Musiktrends beeinflusst werden wird. Die Musikrichtung wird als Hintergrundmusik genutzt und sich daher durch Einfachheit und fließende Übergange auszeichnen. Vielleicht wird es aber auch eine kleinere Strömung geben, die sich wieder mehr der Klassik annähert und komplexere Strukturen für eine bestimmte Hörerschaft etabliert.
Danke Sebastian, die letzten Worte gehören Dir. Ich danke dir André für deine Zeit und die spannenden Fragen. Zum Abschluss möchte ich gerne noch sagen, dass ich es sehr inspirierend finde mit anderen Musikmachenden zusammen zu arbeiten. Wenn sich jemand angesprochen fühlt und Lust auf eine Collaboration mit mir hat, gerne einfach melden. Zum Beispiel an mail@freigefyhl.de oder über meine Social Media-Kanäle.