Eine persönliche, emotionale Reise.
Man kann das Jahr 2020 sehen wie man möchte, in Sachen moderne Klassik ist es ein herausragendes. Auch wenn es langsam sich dem Ende neigt, was viele freuen dürfte, so beinhaltet es nach wie vor akustische Perlen. Eine davon stellt am Freitag der englische Pianist Simeon Walker mit dem neuen Album „Winnow“ dar. Drei Jahre hat der Komponist an dem Werk gefeilt und ist ein sehr persönliches Album geworden, bei dem er den Kampf mit dem Glauben widerspiegeln möchte. Im Gegensatz zum Debüt „Mono“, ist das neue Album nicht nur mit Klaviersonaten ausgestattet.
Fast genau drei Jahre ist es nun her, da erschien mit dem Debütalbum „Mono“ ein englischer Komponist und Pianist mit Namen Simeon Walker auf der Bildfläche. Das Album war ein Spiegel der Wintermonate, mit all dem Glanz und Charme im akustischen Sinne. Wen man bedenkt, dass der Engländer eigentlich eine Karriere als Singer-Songwriter anstreben wollte. Dann aber merkte, dass er schrecklich am Schreiben von Texten war und so am Klavier gelandet ist, ist dieser Punkt ein echter Glücksfall für ihn, das Genre der modernen Klassik und natürlich die treuen Fans. In einem Interview von damals hat sich der sympathische Komponist auf dieser Magazin-Seite näher vorgestellt. Simeon Walker, der ursprünglich im kirchlichen Glauben aufgewachsen war und viel Engagement früher investiert hat, auf „Winnow“ beschäftigt sich der Komponist mit der Erkenntnis, dass der Glaube, in dem er aufgewachsen war, nie wirklich sein eigener war. Die Stücke auf diesem Album erforschen die Bandbreite der Emotionen und Gefühle, die Simeon auf der Reise empfand.
Auf dem besten Wege, die Welt mit akustischer Schönheit zu erobern
Doch ohne dieses Wissen steht das Album für sich alleine auf eine äußerst gefühlvolle Weise im Bereich der modernen Klassik. Wie im Vorgänger steht das Klavier als tragende Säule der Empathie in gefühlsbetonter Form, ummantelt mit sensiblen Klangfarben der Streichinstrumente. Violine und Cello fügen einen atmosphärischen Klangteppich zu den ruhigen und verträumten Tastenanschlägen des Klaviers, der Tenor aus Grundstimmung und Dynamik ist sehr sensibel und intim aufgestellt. Der Eindruck, was auf „Winnow“ sofort in das Ohr fällt, sind die sehr melodischen und eingängigen Melodiebögen und Klangstrukturen. Das Klavier, welches sehr expressionistisch gestaltet ist, entfaltet wahre gefühlsbetonte Klangästhetik aus melancholischer Essenz und romantisierender Sehnsucht. Wie gewohnt ist das Klavier der Protagonist und der rote Faden, der sich komplett durch das Album zieht. Fragil, gedämpft gefühlvoll und mit dynamischen Bögen, die hin und wieder auch emotionell und aufwühlend agieren. Das Album definiert also Licht und Schatten in einer akustischen Substanz, breitet mit einigen Stücken einen ruhigen und besinnlichen Schleier auf dem Hörer aus, verträumt, gedankenvoll und in sich gekehrt. Das „Winnow“ eine sehr persönliche Reflexion ist, spürt man förmlich in jeder Oktave, jede Bewegung der Streichinstrumente und natürlich auf dem Klavier selbst. Viele Fragmente der Seele vom Komponisten wurden darauf verewigt, empfindsame, wie auch schmerzvolle. Die Interpretationskraft vom Album ist gigantisch, jeder der insgesamt neun Stücke erzählt seine eigene Geschichte im klassischen Gewand der Musik. Die Einbindung des Ondes Martenot als weiteres Instrument in einzelnen Stücken verleiht dem Album ein fast schon zeitlosen Glanz, eine verträumte Klanglandschaft aus verschneiten Wäldern und tief gefrorenen Seen manifestiert sich im Kopf. Man mag gezielt keinen der 9 Titeln besonders hervorheben, doch das Stück „Hew“ ist das, was man immer unter „zeitlose Musikkunst“ versteht. Welche in 100 Jahren nichts an Strahlkraft und Ästhetik eingebüßt hat. Die innere Welt der Gefühle gleichermaßen berühren oder durchbohren, alle Stücke auf „Winnow“ haben das Potenzial dazu. Simeon Walker ist mit dem zweiten Album auf dem besten Wege, die Welt mit akustischer Schönheit zu erobern. Vor allem als audiovisuelle Klanguntermalung sind die Stücke erstklassig prädestiniert, die Seele vom Album ist grazil und voller Ästhetik. Vor allem das Albumcover muss man an dieser Stelle auch mal loben. Pure Kunst. Mit Sicherheit wird es in den Jahreshighlights im Dezember noch einmal gewürdigt. Es erhält vom Magazin eine Empfehlung. Release ist der Freitag, der 20. November 2020. Links zu Simeon Walker:
Winnow - Songliste /Dauer:
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