Freund Hain lässt sich abwenden nit.
Neoklassische, angehauchte Musik mit einem festen Themenbezug. Genau das ist die große Stärke des Leipziger Komponisten Jochen Tiberius Koch. Letztes Jahr gab es die akustische Adaption vom „Der Alte Mann und das Meer“, ein Meisterstück der musikalischen Bildsprache. Diese Woche erscheint sein neues Album mit dem Titel „Freund Hein, last Fragments“, der Abschluss einer Reise, die der Komponist damals mit dem Werk „Walden“ 2018 begonnen hat. Freund Hein ist eine euphemistische und allegorische Bezeichnung im Deutschen für den Tod in Person. Damit wird schon impliziert, auf welche Art von melancholischen Wolken man auf dem neuen Album gebettet wird.
Vorstellen muss man den Leipziger auf dieser Seite sicher nicht mehr. Mit dem letzten Album „ DerAlte Mann und das Meer“ hat sich der Komponist verewigt in der Kategorie ‚Musikalische Referenz der modernen Klassik 2021‘ und selbstverständlich auch in der zeitlosen Musikkunst. Wer gerne mehr erfahren möchte, das Musikmagazin hat ein ausführliches Interview mit dem Musiker geführt. Nun ein Thema über das Ende, den Tod oder hier - Freund Hein. Der Begriff Freund Hein fand im 16. Jh. seine erste Erwähnung auf einem Flugblatt. Darauf stand: „Freund Hain lässt sich abwenden nit. Mit Gewalt, mit Güt, mit Treu und Bitt.“
Der Musiker Jochen Tiberius Koch erklärt das Konzept auf dem neuen Album folgendermaßen: "Walden begann mit dem Abzug aus dem urbanen in das irdene, in den Wald. "Astoria" griff das Thema des urbanen wieder sehr verstärkt auf-mit dem "Der Alte Mann und das Meer" betrat man maritimes Gebiet. Am Ende der Platte wie am Ende jedes Menschen steht/stand der Tod des alten Mannes, was jetzt wiederum auf der "Freund Hein" aufgegriffen wird." Wie man es von einem Werk aus der Feder von Jochen-Tiberius Koch gewohnt ist, hat der Musiker auch hier in einigen Stücken mit anderen Künstlern zusammengearbeitet. Dieses Mal ist es Sven Glatzmaier, der lyrische Poetik sanft zur Musik erzählt. Mehr Gefühl, Herz und einen sensiblen Pulsschlag
Sehr auffällig auf dem Album ist der melancholische Grad, denn der setzt sich aus verschiedenen Puzzleteilen und Fragmenten zusammen. Es findet regelrecht eine Konjugation mit dieser Gefühlswelt statt, die mal sanft und warm auf den Zuhörer abfärbt, in einigen Stücken den Zenit erreicht, um sich tief in der Seele zu manifestieren. Auch die Diversität der Instrumente ist sehr breit aufgestellt, von klassischen Instrumenten bis hin zu modernen Konturen formt der Komponist ein homogenes Klanggefüge voller Klangblüten der Sensibilität. Neben dem emotionalen Klavier finden Streich-Arrangements, Glockenspiele und Zupfinstrumente eine Bühne, den gefühlsbetonten Rahmen bilden manchmal Gesang und orchestrale Bindungen. Auch elektronische Nuancen werden eingebunden, sind allerdings nur marginal aufgestellt. Über all das Ganze thront der roter Faden der fragilen Melancholie, der sich durch das gesamte Album zieht und den Hörer sofort bindet. Sehr vertraute Melodien und Rhythmen bohren sich tief in die Herzen, erblühen dort und erstrahlen mit hellen und dunklen Facetten. Je nachdem, man gerade gefühlsmäßig in Stimmung ist. Oder anders - Das Album bietet Tränen, bittersüß, doch auch Momente, die prädestiniert sind, eine liebenswerte Person so nahe zu sein, wie es möglich sein kann. Die insgesamt 11 Stücke auf dem Album behandeln das Thema rund um Freund Hein auf ihre eigene Weise. Sehr berührend agieren da die Stücke „Beringstraße“ oder „last chord“, die teilweise melancholische Ebenen erreichen, als würde die Zeit immer langsamer vergehen. Man mag auch so recht keine Stücke besonders hervorheben, das komplette Album ist eine Reise der Akustik von verloren gegangen Momenten. Mit fragilen und zarten Klavierspielen erreicht Jochen Tiberius Koch bei Titeln wie „Liturgie in Brokat“ auch eine Form der Emotionalität, welche auch so einzigartig sind im Genre der modernen Klassik und die einen immer wieder gerne gefangen nehmen, mit dieser Harmonie. Andere Stücke beschreibt man am besten wie eine Metapher in Form einer Kerze. Ein kleiner Funke genügt schon, um die Kerze zu entfachen. Sie strahlt in warmem Licht, tanzt und biegt sich mit jedem vernommenen Lufthauch, als wäre dieses Spiel eine Leichtigkeit für die Flamme. Grazil und zerbrechlich kann sie uns für viele Stunden erleuchten und ein Gefährte sein. Bis nur noch ein schwaches Glimmen und nebliger Rauch Zeuge sind, dass soeben etwas erloschen ist. Generell kann man festhalten, Jochen Tiberius Koch knüpft mit seinem neuen Album am Vorgänger an, mit mehr Gefühl, Herz und einen sensiblen Pulsschlag. An dem sicher viele Freunde der klassischen Musik gefallen finden. Ein sehr charmantes Werk mit dynamischer Instrumentalisierung und auch in wieder ein Eckpfeiler für das Genre der modernen Klassik. Es stimmt einen immer wieder freudig, dass es noch so großartige Künstler im klassischen Sinne gibt. Und auch „Freund Hein“ würde sicher diese zeitlosen Kompositionen auch gefallen. Release ist diesen Freitag, der 03. Juni 2022 über Blue Spiral Recs. Als Klangimpression ist das Stück "sophisticated excommunication" aufgeführt. Links zu Jochen Tiberius Koch:
Freund Hein - Songliste/Dauer:
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