Ein Album als Denkmal.
Wer es noch nicht mitbekommen hat, unsere Nachbarn von BESIDES haben seit einigen Tagen ein neues Album am Start. Man muss den Polen zweifellos zugestehen, die Band hat den Post-Rock seit vielen Jahren immer wieder neue Impulse gegeben und einige Facetten hinzugefügt. Das Quartett besitzt in gewisser Weise einen Pioniergeist für sich und dem Genre, dem sie auch auf dem aktuellen Album „Bystanders“ weiter verfolgen und in gewisser Weise ausleben. Was das letzte Jahr an gewaltigen Post-Rock vermissen lies, füllen nun die 4 Polen auf einem Schlag wieder auf. Das Album folgt einem Konzept, dass in der Gegenwart aktueller nicht sein könnte.
Besides sind eine Post-Rock-Formation, die 2011 gegründet wurde. Erste Erwähnung fand die Band auf Gezeitenstrom Musikmagazin noch auf dem alten Blog mit ihrem Vorzeigewerk „We Were So Wrong“ aus dem Jahre 2013. Zwei Jahre später gab es den Nachfolger mit „Everything is“, beide Alben wurden von Presse und Fans hochgelobt. Da die Band es liebt, vor Publikum zu spielen, bleibt nicht viel Zeit zum Komponieren, aktuell drei Alben sind erschienen. Doch die vier Polen stellen Qualität über Quantität, was ihre Werke auch eindrucksvoll beweisen. Auf dem aktuellen Werk „Bystanders“ beschäftigen sich die Polen mit der Geschichte ihres Landes, erzählt in akustischer Form das Leben von Gefangenen in Auschwitz und die Menschen, die während des Zweiten Weltkriegs im Schatten des Lagers lebten. So ist es auch nur logisch, das Album am 75. Jahrestag der Befreiung Auschwitz zu veröffentlichen und der Historie ein Denkmal zu setzen.
Ein denkwürdiges Werk abgeliefert, nicht nur im musikalischen Sinn
Auch wenn das Thema von erstarkten Rechtspopulismus in Europa eine Warnung ist, musikalisch präsentieren sich die vier Polen auf einer Ebene im Post-Genre, welches für viele Bands schwer zu erreichen sein dürfte. Bystanders ist moderner Post-Rock, aufpoliert mit neoklassischen Nuancen und einem mitreißenden, cineastischen Anstrich. Ein homogenes Klanggefüge aus energischen Gitarren, Klanglandschaften vom Synthesizer und dem Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug. Tempo und Agilität sind sehr dynamisch in den Strukturen aufgebaut, gipfeln nicht selten zu fast schon Sinfonie-haftfähigen Ausbrüchen. Und doch nehmen sich die Vier Zeit, um bedenkliche Augenblicke zu erschaffen, um einmal innezuhalten. Besonders dicht ist die Atmosphäre, wenn historische Nachrichten der Wehrmacht oder Klangkulissen als Handlung integriert werden. Den akustischen Höhepunkt erreichen dann BESIDES, wenn es zur Synergie aus Post-Rock und Neoklassik kommt – Streicharrangements und Klavier fließen in die Klangebenen mit ein, Schlagzeug und Gitarre vollenden ein Bild vom modernen Post-Rock, dem einen nahe geht. Paradebeispiel ist der Song „Last lullaby“, eine Interpretation vom Post-Musikbereich, den die Polen einen Hauch an zeitloser Ästhetik hinzugefügt haben. Selbst Titel wie „Ich bin wieder da“ sind akustisch durchstrukturiert und bringen einen das gewählte Konzept sehr nahe. „Simon's ohel“ ist auch der direkte Beweis für den Expressionismus, den die Band seit vielen Jahren immer wieder an den Tag legt. Generell ist Bystanders sehr vielschichtig komponiert, der kreative Prozess und der Wertegang der Polen nähert sich mit dem aktuellen Album nahe dem Zenit. Das etwas kräftigere „Miners“ mit seinem melodischen Bögen kann diese Aussage auf die ganz spezielle Weise auch unterstreichen. Mit dem neuen Album Bystanders haben BESIDES ein denkwürdiges Werk abgeliefert, nicht nur im musikalischen Sinn, sondern auch die Geschichte, welches es gerne erzählen möchte. Dass die Formation bereits an der Grenze zu den fest etablierten Größen im Genre kratzt, ist da selbstredend. Eine emotional ergreifende, musikalische Erfahrung aus Polen, technisch sehr ausgefeilt und auf hohem Niveau agieren die Vier und läuten das Jahr 2020 mit einer Empfehlung im Musikbereichs des Post-Rocks ein. Es sollte in keiner anständigen Sammlung im Post-Rock fehlen. Links zu BESIDES:
Bystanders Songliste / Dauer:
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Februar 2024
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