KaleidoscopeofColours ist das Soloprojekt der Pianistin Susanne Geisler aus Berlin. Ende 2018 erschien das neue Album „Music & Colours“, von der es Anfang März eine weitere Singleauskopplung geben wird. Susanne arbeitete eng mit Musikgrößen wie Max Richter zusammen, von dem sie vieles gelernt hat. Anfang 2016 hat Susanne aber entschieden, aus dem Schatten anderer Künstler herauszutreten und ihren eigenen Weg zu finden. Mit Erfolg, ihre Stücke finden sich in vielen prominenten Playlisten wieder und auch die Presse ist von der Musik sehr angetan. Vor allem die Farben von Klängen spielen in den Kompositionen eine exorbitante Rolle. In einem Interview blicken wir ein wenig in das Herz und die Seele der charmanten Berlinerin.
Die musikalischen Wurzeln
Hallo Susanne, wie geht es Dir gerade? Mir geht es gut, danke! Vielen Dank für die Einladung! Mein Jahr ist gerade ganz aufregend gestartet. Ich habe einen meiner neuen Songs zum ersten Mal im Radio gehört. Das war ein überraschender Start ins neue Jahr.
Erzähle ein wenig über Deine musikalische Vergangenheit. Wie bist Du zur Musik gekommen? Musiziert habe ich eigentlich schon immer. Mit ungefähr 8 Jahren habe ich die Gitarre meiner Eltern entdeckt und mit 14 Jahren dann ein Keyboard geschenkt bekommen, mit dem ich angefangen habe, meine Lieblingssongs aus dem Radio nach Gehör nachzuspielen. Ich bin Autodidaktin. Ich habe mir Töne und Klänge schon immer gut merken können, aber erst viele Jahre später wirklich verstanden, dass ich Musik mit Farben verbinde, die mir dabei helfen, mich klanglich und visuell zu orientieren. In der Schule habe ich dann irgendwann einen alten Flügel entdeckt und angefangen heimlich Filmmusiken nachzuspielen. Daraus sind dann kleine Arrangements geworden.
Wann und wie hast Du dann die moderne Klassik für Dich entdeckt? Das war mit 24. Ich steckte in einer sehr schwierigen Phase. Ich war für ein Jurastudium an die ostdeutsche Küste gewechselt und war todunglücklich. Mehr als 3 Jahre hatte ich mein Piano nicht angerührt und ich hatte das Gefühl, das mir mein Leben irgendwie entglitt. Als es dann auf das Examen zuging, entdeckte ich irgendwann die „6 PiecePour Piano“ von YannTiersen und war sofort fasziniert, fand ganz langsam den Weg zurück zum Instrument. Die Art, wie YannTiersen Stücke schrieb, diese repetitiven Strukturen, aber auch die Farbnuancen, die seine minimalistischen Stücke mit sich bringen, inspirieren mich bis heute. Ich entdeckte andere Komponisten wie Philipp Glass, Michael Nyman, Steve Reich und begann mich intensiv mit deren Werken auseinanderzusetzen, sozusagen ein Querschnitt von der seriellen Musik über Minimal Music bis Post Minimal / Neoklassik. Und bald schon merkte ich, dass ich genauso etwas machen wollte. Überhaupt Musik zu schreiben, nicht nur Stücke zu interpretieren. Ich merkte, dass da ganz viel von mir rauswollte. Aber zum damaligen Zeitpunkt war ich noch nicht in der Lage, die Ideen, die ich hatte, auch umzusetzen. Das kam erst viel später.
Kannst Du dich an das erste Mal erinnern, als Du ein Lied geschrieben hast? Beschreibe es doch ein wenig. Etwa 2007, nach Ende meines Jurastudiums, musste ich zum ersten Mal langfristig eine Pause von meinem Leben machen. Ich wusste, dass ich keine Juristin sein möchte, sondern Musikerin. Ich habe mir dann ein halbes Jahr Auszeit genommen und in dieser Zeit sind erste kleine Entwürfe entstanden. Zuerst waren das Stücke für die Familie oder Freunde. Das erste Lied, an das ich mich erinnere fertig geschrieben zu haben, war ein kleines vierhändiges Stück für meine Cousine, die gerade anfing Piano zu spielen. Das habe ich noch heute. Es ist auch das erste Stück, das ich aufgeschrieben habe.
Wer hat Dir dann die Unterstützung gegeben, um weiterschreiben zu können? Für wen hast du die frühen Songs gespielt? Ich habe immer viel Unterstützung durch meine Familie erhalten, für die der Wechsel von der Juristin zur Künstlerin am Anfang aber sehr schwer war. Aber sie sind bis heute diejenigen, die meine Stücke zuerst hören. „DarkBlueEchoes“ ist für meinen Großvater geschrieben und oft habe ich auch Songs für Hochzeiten von Freunden oder Familie geschrieben und performt. Das hat sich alles sehr natürlich und in einem kleinen Rahmen entwickelt und das war auch gut so. Ich bin dann mit fast 30 noch einmal zurück zu „Schule“ und habe eine Ausbildung im Bereich Komposition und Orchestration absolviert und klassischen Klavierunterricht genommen, weil ich fühlte, dass ich ein solides Handwerkszeug brauchte, um als professionelle Musikerin arbeiten zu können. Nebenbei habe ich für andere Künstler wie den britischen Komponisten Max Richter gearbeitet und viel über die alltägliche Arbeit mit der Musik gelernt. Aber die größte Herausforderung war es, ein gesundes Mindset zu entwickeln, das mich meine Kunst nicht ständig in Frage stellen lässt, aber auch mit Menschen zu arbeiten, die einen positiv bestärken. Heute arbeite ich in einem kleinen Kollektiv von Künstlern und Songwritern, ohne die ich mein Projekt so nicht hätte umsetzen können.
Synästhesie und Farben
Ende 2018 erschien das neue Album „Music & Colours“. Es bekam sehr gute Kritiken und findet sich aktuell noch in vielen prominenten Playlisten. Welche Gedanken gehen Dir durch den Kopf, wenn Du das mitbekommst? Das es schon echt Wahnsinn ist, dass meine Stücke nun auf der ganzen Welt gehört werden können. Ich bekomme inzwischen richtige Fan-Emails von Leuten, die die Songs im Radio gehört haben. Da einige der Stücke noch immer sehr persönlich sind, musste ich auch lernen, sie etwas loszulassen. Ich glaube aber, es gibt keinen besseren Zeitpunkt als jetzt, um als Musiker zu veröffentlichen. Wir haben alle Möglichkeiten uns professionell aufzustellen, sei es mit Artwork oder Vertrieb, auch wenn ich glaube, dass es noch grundlegende Veränderungen bei der Beteiligung der Urheber im Bereich Streaming bedarf.
Lass uns über das Album sprechen. Erzähle etwas über die Entstehung. Was sind Deine Inspirationsquellen? Wie war die Arbeit im Studio? Music & Colours ist ein Album, bei dem alle Stücke auf Basis meiner inneren Farbskalen entstanden sind. Ich bin Synästhetin, dass heißt, wenn ich Klänge oder Sounds höre, dann werden bei mir Farben ausgelöst. Aber auch die Klaviatur als solches ist ein wahres Farbschauspiel. Dieses Phänomen der verknüpften Sinne (Synästhesie = griech: syn – zusammen und aisthesis – Wahrnehmung) hilft mir beim Komponieren, als eine Art dritter Weg zwischen Komposition auf Basis von Notation und der reinen Improvisation nach Sound und Klang. So was hat es vorher noch nie gegeben. Dabei sind viele bekannte Künstler Synästheten: Pharrell Williams, Lady Gaga, Billy Joel, Tori Amos um nur einige zu nennen.
Das Album beinhaltet insgesamt 9 Stücke voller fragiler Schönheit und Melancholie. Gibt es ein – zwei besondere Stücke, die Dir sehr am Herzen liegen? DarkBlueEchoes, weil es das erste Stück ist, was auf Basis meiner Farben geschrieben wurde und meinem Großvater und meinem Bruder gewidmet ist. Es ist ein sehr persönliches Stück. Aber auch, weil ich mich mit diesem Stück entschieden hatte, wie ich in Zukunft arbeiten möchte, nämlich unter Berücksichtigung dieser Farbspektren. Ich habe mich erst sehr spät mit Notation beschäftigt habe, und genau wie viele andere Synästheten (Tori Amos ist vom Musikcollege geflogen, weil sie sich weigerte nach Noten zu arbeiten), Schwierigkeiten mit der Art und Weise habe, wie wir Musik festhalten. Diese Notation ist im 16. Jahrhundert entstanden und seitdem nicht einmal verändert worden. Viele junge Musiker tun sich schwer mit diesem Notationssystem, schon manch einer hat Musik deswegen abgebrochen. Dabei gibt es in Japan bereits erste Bestrebungen für alternative Notation auf Basis von Formen und Farben, die sich nachweislich günstiger auf den Lernprozess vor allen Dingen bei Kindern auswirken.
ShadesofBrown ist das Stück, in dem am meisten Gefühl von mir drin steckt. Mit diesem Stück finde ich immer wieder zurück zu mir.
Tatsächlich haben mich die beiden Stücke „DarkBlueEchoes“ und „Scarlet“ sofort gepackt mit einer reinen Klangästhetik voller Anmut und Gefühl. Wie viel Gefühl stecken denn im Allgemeinen von Dir selbst in den Stücken? Einer der Gründe, warum ich anfing Musik zu schreiben, war, das ich etwas schaffen wollte, was mich im Alltag zurückholt, mich daran erinnert, wer ich bin. Ich wollte einen Zugang zu mir behalten und mich für alle Zeit an das Gefühl erinnern, das ich hatte, als diese Stücke endlich da waren. In unserem heutigen Alltag sind wir oft so abgelenkt durch Social Media etc, das man das schnell mal vergessen kann. Alle meine Stücke helfen mir dabei, mich zu erden und im Alltag loszulassen. Inzwischen merke ich, dass es auch vielen Zuhörern so geht, dass sie loslassen, dem Alltag entfliehen können. Einige haben mir sogar geschrieben, dass sie ähnliche Farben mit den Stücken verbinden. Das war großartig.
Eine der besten Entscheidungen meines Lebens
Was fasziniert Dich im Besonderen am Instrument Klavier? Die Vielfalt der Klangbreite, der sich in den letzten Jahrzehnten mit dem Prepared Piano um John Cage aber auch Musikern wie Volker Bertelmann/Hauschka oder Nils Frahm zum hin zum perkussiven und experimentellen unglaublich erweitert hat. Da werden nicht mehr nur die Saiten angeschlagen, sondern der Korpus als solcher oder verschiedene Utensilien in den Entstehungsprozess mit einbezogen, extrem nah mikrofoniert. Die Möglichkeiten der Klangerzeugung scheinen hier schier unendlich. Ich bin immer wieder überrascht, neue Seiten an diesem Instrument zu entdecken. Ich sehe mich aber nicht als Pianistin, ich spiele auf allem, was Klang erzeugt. Victor Wooten hat einmal gesagt, dass wir nicht Pianisten oder Gitarristen oder Sänger, sondern Musiker sind. Die Musik ist bereits in uns drin und unsere Instrumente sind, was sie sind: reine Hilfsmittel um uns auszudrücken. Autoren schreiben ja auch nicht nur auf der Schreibmaschine.
Farben sind ja in Deinem Umfeld sehr präsent, nicht nur in der Musik. Was ist denn deine Lieblingsfarbe, wenn es so etwas für Dich gibt und warum? Wiesengrün, weil sie mich beruhigt und mich an einen Wald aus meiner Kindheit erinnert, den ich oft besucht habe. Und mitternachtsblau, das hat was Mystisches, Erhabenes für mich.
Welche Künstler bzw. Komponisten sind Deine Vorbilder? Gibt es vielleicht Musiker, die Dich beeinflusst haben? Ich habe gelesen, Max Richter spielt in Deinen Leben eine prägende Rolle? Dazu gehören YannTiersen, ebenso wie Philip Glass, Michael Nyman aber auch die jüngere Generation wie Nils Frahm. Immer wieder faszinieren mich auch die Stücke von Max Richter, für den ich hier in Berlin lange gearbeitet und viel gelernt habe. Bei Max konnte ich erstmalig miterleben, wie eine Idee entsteht und sie dann von einem großen Orchester eingespielt wird und performt wird. An Projekten wie „Vivaldi Recomposed“ oder „Sleep“ oder verschiedenen Filmprojekten mitarbeiten zu können, Projekte, die irgendwie auch immer mit Konventionen brachen, hat mich fasziniert und mich sehr geprägt. Anfang 2016 hatte ich aber entschieden, aus dem Schatten anderer Künstler herauszutreten und meinen eigenen Weg zu finden. Eine der besten Entscheidungen meines Lebens.
Reden wir über die moderne, klassische Musik. Die klassische Musik erlebt seit Jahren eine Art Renaissance. Was macht die ,Neo-Klassik’ Deiner Einschätzung nach so populär? Gerade in Zeiten von Mainstream-Radio und allgegenwärtigen Charts & Popshows? Vielleicht weil sie insgesamt zugänglicher ist für die Menschen, sowohl in ihrem Repertoire als auch in der Art, wie sie heute performt wird: häufig an ungewöhnlichen Orten. Ich erinnere mich, wie „Vivaldi Recomposed“ damals mit dem Konzerthausorchester im Berliner Berghain zum ersten Mal aufgeführt wurde. So etwas hatte es bis dahin noch nicht gegeben. Oft wird man als Publikum sogar Teil des Entstehungsprozesses der Musik, erlebt die Energien, die da entstehen können. Und die Neo-Klassik vereint verschieden Elemente anderer Genres, sowohl der klassischen Musik aber auch Elemente des Pop, Jazz und, wenn auch oft dezent, der elektronischen Musik. Damit hören auch Leute, die eigentlich Klassik oder Jazzfans sind plötzlich Stücke von LudovicoEinaudi oder Nils Frahm. Im Gegensatz zu vielen klassischen Stücken ist sie oft auch spielbar. Inzwischen werden zu viele neue Alben Veröffentlichungen auch Pianobooks herausgebracht. Mich persönlich fasziniert immer wieder der Sound. Oft sind die Stücke nicht nur minimalistisch geschrieben, sondern auf wenige Instrumente, oft nur in kammermusikalischer Besetzung, reduziert. In der Neoklassik vereinen sich die Perfektion der Klassik und Elemente der Moderne, die Wärme akustisch gespielter Orchesterinstrumente mit den Klangwelten der Elektronik. Kein anderes Genre lässt soviel Spielraum für die Entdeckung neuer Klangwelten. Sie ist, wie ich finde, ein wahrer Wegbereiter für zukünftige musikalische Entwicklungen.
Ohne dieses Buch wäre ich nicht da wo ich jetzt bin
Was würdest Du jungen Leuten raten, die talentiert sind und gerne Musik komponieren, es aber nicht wagen ihre Musik zu veröffentlichen, weil sie denken, sie wären zu schlecht oder es hört eh keiner zu? Das kann ich sehr gut nachvollziehen. Mir ging es so viele Jahre. Aber als der Wunsch Musikerin zu sein und auch von der Musik leben zu können, größer wurde, musste ich tiefer in mich gehen, und hören, wo diese Stimmen aus mir herkommen. Wenn wir solche Gedanken haben, solche negativen Glaubenssätze, stammen diese oft als Überbleibsel aus unserer Vergangenheit. Sowohl als Kreativ schaffende als auch im Business ist es wichtig, sich von solchen Gedanken zu lösen, sonst wird es schwierig unser Potenzial auszuschöpfen. Wenn mich andere Musiker fragen, empfehle ich ihnen in solchen Situation immer Julia Cameron’s Buch „Der Weg des Künstlers“. Ohne dieses Buch wäre ich nicht da wo ich jetzt bin. Ich will nicht sagen, dass ich diese Gedanken gar nicht mehr habe, aber ich habe gelernt, diese Stimmen eher als Beobachterin wahrzunehmen, und ihnen nicht das Steuer zu überlassen. Denn dann würde ich keines meiner Projekte zu Ende bringen oder überhaupt erst anfangen.
Hast Du ein ganz großes Ziel, auf das Du hinarbeitest? Oder welches hast Du schon erreicht? Ich möchte langfristig von meiner Kunst leben können. Das ist möglich, hängt aber immer davon ab, wie wir flexibel wir als Künstler im Hinblick auf den Markt aufgestellt sind. „Neverforgetaboutyourdream, butbe flexible howyougetthere“, heißt es immer so schön. Momentan bin ich auch Songwriterin für Warner und Universal und arbeite daneben als Autorin und Kreativ Coach. Aber die Koordinierung dieser verschiedenen Facetten ist oft ein Balanceakt. Musik zu schreiben war und ist das einzige, in dem ich wirklich ich sein kann, einen Zugang zu mir habe. Durch die Synästhesie und die damit verbundenen Hochsensibilität brauche ich aber viel Raum für Erholung und Kunst, muss meinen Arbeitsalltag selbst gestalten können. Aber herauszufinden, wer ich bin und wie ich arbeiten möchte, war einer meiner größten Erfolge der letzten Jahre.
Was können Musikliebhaber von Dir demnächst erwarten? Gibt es schon Album / Konzert-Pläne für die Zukunft? Mein aktuelles Album Music & Colours ist am 14.12. erschienen und ist gerade auf einschlägigen Neoklassik Sendern wie NeoFM zu hören. Am 1.3. gibt es die Single MidnightBlue – eine Rekomposition von Claude Debussy’s Clair de Lune - in einer Extended Version zu hören. Außerdem plane ich das Projekt gerade für die Bühne.
Vielen Dank Susanne, die letzten Worte gehören Dir: Vielen Dank für das Interview und für die Einladung mit dir über meine Musik sprechen zu können.