Komponisten wie Jonas Hain aus Berlin sind ein Hauptgrund dafür, warum damals 'Gezeitenstrom Musikmagazin' ins Leben gerufen wurde – um talentierten und herausragenden Musikern eine Plattform zu geben, ihre Musik näher vorzustellen. Und das ein oder andere Herz mit der Akustik zu erobern. 2018 erschien das Debütalbum „Solopiano“, welches sofort bei iTunes auf Platz 1 (!) der Klassikcharts eingestiegen ist. London, Paris, Los Angeles ... rund um den Erdball hören Musikliebhaber die Stücke von Jonas Hain. Zeit, den Berliner etwas näher in einem Interview zu beleuchten.
Hallo Jonas, wie geht es Dir gerade? Ganz gut denke ich..
Erzähle ein wenig über Deine musikalische Vergangenheit. Wie bist Du zur Musik gekommen? Also ich bin in München aufgewachsen und habe schon in relativ jungen Jahren Klavierunterricht bekommen. Ich erinnere mich, dass mir mein Klavierlehrer damals ein gewisses Talent zusprach. Aber da ich als kleiner Junge alle möglichen anderen Dinge im Kopf hatte, machte ich nur sehr langsam Fortschritte am Klavier. Das prägendste musikalische Erlebnis war wahrscheinlich als 1999 ‚Freestyler‘ von Bomfunk MCʼs rauskam. Ich war da so um die acht Jahre alt und erinnere mich noch gut, wie ich mir von meinem Taschengeld die Maxi-Single gekauft habe, die ich dann hoch und runter gehört habe. Dieser neue Sound hat mich damals absolut fasziniert und war so anders zu dem, was ich durch meine Eltern an Musik zu Ohren bekam. Mit 15 habe ich mir dann meinen ersten Plattenspieler gekauft und angefangen aufzulegen. Bis ich so Anfang 20 war, hatte ich auch wenig mit Klaviermusik oder klassischer Musik allgemein am Hut, sondern wollte Techno-DJ werden.
Wann und wie hast Du dann die moderne Klassik für Dich entdeckt? 2012 habe ich ein Praktikum bei einem befreundeten Filmkomponisten gemacht, wodurch sich mein musikalischer Fokus ein Stück weit neu ausgerichtet hat. Ich habe dann wieder verstärkt Klavierunterricht genommen und angefangen, mich mit Komposition zu beschäftigen.
Klaviermusik ist für mich die wahrscheinlich purste Form von Musik
Das Debütalbum "Solopiano" erschien April 2018.
Du hast dieses Jahr Dein Debütalbum herausgebracht. Was waren die ausschlaggebenden Punkte, ein Album zu erschaffen? Wie lange hast Du daran geschrieben? Lange. Der Entschluss, mich voll und ganz auf das Komponieren zu konzentrieren, kam eigentlich nach meinem Studium am Abbey Road Institute. Das Studium war eine sehr intensive und prägende Zeit, weil man Tag und Nacht mit anderen Musikern im Studio war und unterschiedlichste musikalische Ideen und Ansätze ausprobierte. Da lag mein Fokus noch eher auf der elektronischen Musik.
Aber je mehr ich Tag für Tag über Audio-Engineering und Music Production lernte, desto mehr versank ich in einem Meer der unendlich vielen Möglichkeiten. Was mir eigentlich Sicherheit geben sollte, bezweckte letzten Endes genau das Gegenteil. Ich merkte, dass mir die Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die man zum Musik machen braucht, mehr und mehr verloren ging und ich oft viel zu verkopft und analytisch an die Dinge ran ging, mich immer schwerer tat Entscheidungen zu treffen, und letztendlich in so einer Art technischen Perfektionismus gefangen war, wodurch es fast unmöglich wurde, ein Stück abzuschließen. Auch hatte ich förmlich verlernt Musik einfach nur zu hören, ohne im Hinterkopf gleich alle Elemente, wie Sound, Arrangement, Frequenzen zu analysieren und zu bewerten.
Nach dem Studium war mir dann klar, dass ich meine Arbeitsweise grundlegend ändern und mich auch aus meinen vertrauten Abläufen befreien musste. Ich habe mich dann dazu entschieden, mir zusammen mit einem Klavier draußen auf dem Land ein provisorisches Studio einzurichten, wo ich mich für eine ganze Weile von der Außenwelt isolierte und versuchte, mich wieder auf das ganz ursprüngliche Musik machen zurückzubesinnen. So sind dann nach und nach die Stücke für ,Solopiano' entstanden.
Was fasziniert Dich im Besonderen am Instrument Klavier? Klaviermusik ist für mich die wahrscheinlich purste Form von Musik, eine künstlerische Basis, von der alles ausgehen kann, aber nichts muss. Anzufangen für Klavier zu komponieren, hat mich in vielen Bereichen extrem befreit. Vieles was mich beim Produzieren von elektronischer Musik nahezu in den Wahnsinn getrieben hat, dass man jeden Sound, jeden Ton, jeden Transienten von jedem Element bis in jedes kleinste Detail manipulieren kann, gibt es hier eigentlich nicht. Auch zu lernen und zu verstehen, dass ein Take nicht eins zu eins reproduzierbar, sondern immer nur eine Aufnahme von genau dem Moment ist, in dem man ein Stück einspielt, hat mir sehr geholfen, meinen eigenen Perfektionismus ein Stück weit zu überwinden und ‚einfach wieder nur Musik‘ zu machen.
Das Album "Solopiano" beinhaltet insgesamt 8 Stücke voller fragiler Schönheit und Melancholie. Gibt es ein – zwei besondere Stücke, die Dir sehr am Herzen liegen? Vielen Dank, es freut mich, dass es Euch gefällt. Das ist schwierig zu sagen. Jedes Stück hat für mich seine eigene Geschichte und eigene Assoziationen. Und mir ist es auch wichtig, dass der Hörer wiederum seine eigenen Bilder zu den Stücken entwickelt. Aus diesem Grund haben die Stücke auch keine expliziten Namen, sondern sind schlicht durchnummeriert. Ich wollte es vermeiden, durch die Vorgabe von Namen vorweg gewisse Assoziationen hervorzurufen.
Um Musik zu schreiben, welche Inspirationsquellen sind die treibende Kraft beim Komponieren bei Dir? Darüber habe ich so noch nie nachgedacht. Wahrscheinlich ist Inspiration ein unbewusst ablaufender Prozess. Deswegen ist es schwierig, da etwas Genaues zu benennen. Ich denke aber, es gibt eine Art Besessenheit, die mich umtreibt.
Parallel arbeite ich an den Stücken für Solopiano II
In Jonas Hain schlummert eine melancholische Seele voller Poesie.
Werden neben dem Klavier vielleicht auch andere klassische Instrumente den Einzug auf kommende Werke halten? Oder bleibst Du erst einmal dem Klavier treu? Bei Solopiano II wird auch wieder das Klavier im Mittelpunkt stehen. Grundsätzlich könnte ich mir aber vorstellen, danach auch für eine andere Besetzung zu schreiben.
Welche Künstler bzw. Komponisten sind Deine Vorbilder? Gibt es vielleicht Musiker, die Dich beeinflusst haben? Das ändert sich immer mal wieder. Momentan höre ich sehr viel Chopin und Grieg. Beide, aber vor allem Chopin, faszinieren mich mit ihrem Gespür für Melodik und Harmonik.
Reden wir über die moderne, klassische Musik. Die klassische Musik erlebt seit Jahren eine Art Renaissance. Was macht die ,Neo-Klassik’ Deiner Einschätzung nach so populär? Gerade in Zeiten von Mainstream-Radio und allgegenwärtigen Chartshows. Wahrscheinlich die Tatsache, dass vieles, was heute unter dem Begriff der ,Neo-Klassik’ verordnet wird, mit klassischer Musik im herkömmlichen Sinne nicht viel gemeinsam hat. Bei der ‚Neo-Klassik‘ steht für mich in erster Linie eine gewisse Klangästhetik und die damit geschaffene Atmosphäre im Vordergrund, weniger die Komposition. Den Ansatz, den Klavieranschlag extrem zu dämpfen, bewusst jedes Hammer- und Pedalgeräusch mit aufzunehmen, finde ich grundsätzlich ganz spannend, wenn auch mittlerweile inflationär verwendet. Wenn man sich ansieht, was da harmonisch so passiert, wie die Stücke aufgebaut sind, sehe ich da große Parallelen zu Filmmusik oder auch moderner Popmusik, was vielleicht ein Stück weit den Erfolg erklärt.
Was würdest Du jungen Leuten raten, die talentiert sind und gerne Musik komponieren, es aber nicht wagen ihre Musik zu veröffentlichen? Das Komponieren ist ja ein sehr subjektiver und oft auch einsamer Prozess. Selbstzweifel gehören da wahrscheinlich naturgemäß dazu und können auch eine wahnsinnige kreative Kraft freisetzen. Entscheidend ist, denke ich, zu verstehen, dass Musik erst einmal nur eine Aufnahme von genau dem Moment ist, in dem sie entsteht. Ob und wie erfolgreich ein Stück im kommerziellen Sinne wird, steht für mich auf einem anderen Blatt. Ich glaube, solange man selbst voll und ganz hinter seiner Arbeit steht, kann einem eigentlich nicht viel passieren.
Hast Du ein ganz großes Ziel, auf das Du hinarbeitest? Oder welches hast Du schon erreicht? Für mich war es dieses Jahr wichtig, den ersten Schritt zu gehen und mein Debüt-Album zu veröffentlichen. Was ich mir als Ziel gesetzt habe, ist, die Leichtigkeit und Unbeschwertheit, die ich beim Komponieren für Klavier habe, so zu verinnerlichen, dass ich mich auch wieder meinen elektronischen Projekten zuwenden kann, ohne mich erneut in technischen Details zu verlieren.
Hast Du schon Album / Konzert-Pläne für die Zukunft? Was können Musikliebhaber von Jonas Hain demnächst erwarten? Gerade bin ich in den Vorbereitungen für meine nächste Veröffentlichung Mitte Oktober. Parallel dazu arbeite ich an den Stücken für Solopiano II, die ich Ende des Jahres einspielen werde. Die Frage, ob ich auch live auftreten will, habe ich für mich noch nicht beantwortet.
Die letzten Worte gehören Dir: Ich bedanke mich sehr für das Gespräch!